Emanuelle Seigner und Eva Green

2016 CAROLE BETHUEL/STUDIOCANAL GMBH

Rätsel um schöne Fremde

Polanski-Film "Nach einer wahren Geschichte"

Wo verläuft der Grat zwischen Realität und Fiktion? Wie sehr sind die eigenen schriftstellerischen Einfälle dem Eingriff anderer ausgesetzt? Und wessen Gedanken werden in dieser Geschichte eigentlich von wem zu Papier gebracht? Um diese Fragen dreht sich Delphine de Vigans Bestseller "Nach einer wahren Geschichte", den der 84-jährige Starregisseur Roman Polanski nun fürs Kino adaptiert hat.

Morgenjournal | 26 06 2018

Judith Hoffmann

Delphine de Vigans jüngster Roman ist ein Bestseller geworden, der polarisiert. Beim Publikum löst er Begeisterungsstürme und Beschimpfungen aus, bei der Schriftstellerin selbst eine üble Schreibblockade, die sich erst zu lösen beginnt, als eines Tages Elle auftaucht und sie vollkommen verzaubert.

Elle, also "sie" auf Französisch, schreibt als Ghostwriterin die Autobiografien namhafter Persönlichkeiten, ihre eigene, dunkle Biografie will sie nur in Andeutungen offenbaren. Doch so wenig Elle von sich Preis gibt, so viel nimmt sie von der Schriftstellerin, ohne zu fragen, und ohne darum bitten zu müssen: Sympathie und Zuneigung, Passwörter und Wohnungsschlüssel, und schließlich auch die Entscheidungsmacht über ihre Leben und Schreiben.

Elle (Eva Green)

Elle (Eva Green)

2016 CAROLE BETHUEL/STUDIOCANAL GMBH

Späte Polanski-Premiere: Zwei Rivalinnen

Noch nie habe er einen Film über zwei Frauen als Gegenspielerinnen gemacht, so Roman Polanski über den Reiz, diesen Thriller zu adaptieren. Er haben im Roman viele interessante Aspekte aus eigenen früheren Filmen entdeckt, erzählt der Regisseur weiter, vor allem in der Ambiguität dieser rätselhaften Figur, von der bis zuletzt nicht ganz klar sei, ob sie tatsächlich oder nur im Kopf der Schriftstellerin existiere.

Ein Polanski ist ein Polanski ist ein Polanski

Und so wühlt der Polanski bei der Umsetzung tief in seinem cinematografischen Nähkästchen und fördert daraus allerlei erfolgserprobte Bänder, Schleifen und Knöpfe zutage, die er auf den Stoff der Literaturvorlage appliziert.

Dabei wird er jedoch rasch ein wenig zu plakativ und vorhersehbar. Überdeutlich inszeniert er die vertrauensselige Naivität der einen und die berechnende Machtlust der anderen Figur, überdeutlich illustriert er durch gewohnt gekonnt gefinkelte Montage und Kameraführung das wachsende Unbehagen in Begegnungen und Gesprächen.

Delphine (Emmanuelle Seigner) und Elle (Eva Green).

Delphine (Emmanuelle Seigner) und Elle (Eva Green).

2016 CAROLE BETHUEL/STUDIOCANAL GMBH

Große Handwerkskunst, vorhersehbare Erzählung

Polanski stellt dieses Unbehagen in den Mittelpunkt seines Films und konzentriert sich ganz auf die psychologische Komponente rund um eine manipulative Stalkerin und ihr naives Opfer. Dazu inszeniert er zahlreiche Spannungs- und Verdachtsmomente durch Schnitte und üppige Musikeinwürfe.

Die eingangs genannten Grundfragen aus der Literaturvorlage treten dabei leider ein wenig in den Hintergrund: die spannende Frage nämlich nach den verschwimmenden Identitätsgrenzen zwischen Werk, Autor und Rezipient, die Polanski nur am Rande streift. Schade eigentlich.

Gestaltung