Vier Männer posieren vor einem Boot

PENNIE SMITH

Popmusik

The Good, The Bad & The Queen - "Merrie Land"

"The Good, The Bad & The Queen" - so nannte Blur- und Gorillaz-Sänger Damon Albarn vor gut elf Jahren ein neues Bandprojekt. Mit dabei in der sogenannten Supergroup: The-Clash-Bassist Paul Simonon, der Gtarrist von The Verve, Simon Tong, und der Schlagzeuger von Fela Kuti, Tony Allen. Es brauchte den drohenden Brexit, um die vier wieder zur gemeinsamen Arbeit zu bringen.

Heute, parallel zum andauernden politischen Showdown rund um das europäisch-britische Scheidungsdrama, erscheint Album Nummer zwei von The Good, The Bad & The Queen. "Merrie Land" heißt es, produziert hat der Bowie-Vertraute Tony Visconti und geht es nach Albarn, dann ist es sein höchst persönlicher Brexit-Soundtrack.

Mittagsjournal | 16 11 2018

David Baldinger

Albarns Brexit-Blues

Britpop, dem aller Optimismus ausgetrieben wurde, so könnte man "Merrie Land" charakterisieren. Da dominieren kollektive Trauerchöre statt hymnischer Mitsing-Refrains und benommen triste Drehorgeln ersetzen fröhliche Gitarren. Mastermind Damon Albarn legt die Songs seines Brexit-Blues wie die Kapitel einer Kurzgeschichte an. Ihm ging es elf Jahre nach dem Debüt von The Good, The Bad & The Queen um ein atmosphärisches Porträt seiner Heimat. Darum, "auf die Lebensumstände und den Zeitgeist in meinem Land zu reagieren", wie Albarn im Ö1 Interview erklärt. Nachsatz des Sängers: "Aus einer nordenglischen Perspektive."


Im Jänner 2017 versammelt sich die Band zur thematischen Vertiefung und Inspiration im nordenglischen Bade-Resort Blackpool. Sechs Wochen verbringen die vier danach mit Tony Visconti im Studio. Aus den 40 bis 50 neuen Songs der vergangenen zehn Jahre werden elf Stücke destilliert.

Von Löwen und Einhörnern

Inspiriert wurde "Merrie Land" von George Orwell. Der erkundete unter dem Eindruck des Nationalsozialismus in seinem Essay "The Lion & The Unicorn" die englische Seele und forderte einen vitalen englischen Sozialismus. "Ich wollte versuchen, Orwells Essay über die englische Identität ins Heute zu übersetzen." Explizit politisch wird es dennoch selten. Auch wenn es in den Texten von "Merrie Land" oft um ein "die gegen uns" geht. Gemeint sei damit aber nicht der politische Showdown zwischen Brüssel und London, so Bassist Paul Simonon. "Da geht’s nicht um Großbritannien gegen die Europäische Union, sondern um die Konfrontation mit Menschen, die für den Austritt gestimmt haben."

The Good, The Bad & The Queen

PENNIE SMITH

Ein Album wie ein Theaterstück

Die elf Songs handeln auch von Migration und dem Zusammenleben der Kulturen, vom multikulturellen Erbe des Empires, das der Band am Herzen liegt, wie Bassist Simonon erklärt. "Ich bin in einer sehr multikulturellen Gesellschaft aufgewachsen und ich würde sagen, dass wir als Band diesen multikulturellen Mix feiern." Für ihn klingen die elf neuen Songs wie eine einzige lange Single - so plastisch-theatralisch in ihrer Inszenierung, dass selbst eine Musical-Adaption vorstellbar ist.

"Das Album ist ein komplettes, abgeschlossenes Werk mit einem durchgehenden thematischen Faden - durchaus vergleichbar mit einem Theaterstück." 25 Jahre nach "Cool Britannia" liefern The Good, The Bad & The Queen ein episches Großbritannien-Album ab - in bester britischer Tradition und auf den Spuren von Bands wie den Kinks, The Jam oder Simonons The Clash.

Porträt einer strauchelnden Insel

In diesem elegischen Songzyklus, der schon als Schwanengesang auf das Vereinigte Königreich tituliert wurde, blicken The Good, The Bad & The Queen dem Vereinigten Königreich tief in die Augen. Es ist ein liebevoller Blick, aber auch ein ungläubiger, ein besorgter und latent nostalgischer. Vor allem aber klingt dieses Porträt der strauchelnden Insel unverkennbar britisch. Manchmal trifft gute Popmusik noch den Nerv der Zeit.

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