Konzertatmosphäre

DONAUFESTIVAL

6. April bis 5. Mai 2019

Donaufestival mit Leitmotiv "new society"

Regierungskritischer Elektropop aus Russland oder eine US-amerikanische Singer/Songwriterin, die sich mit Hildegard von Bingen beschäftigt. Die musikalische Bandbreite beim Donaufestival in Krems ist auch heuer wieder groß.

Morgenjournal | 25 04 2019

Wolfgang Popp

Kulturjournal | 25 04 2019 - Thomas Edlinger im Gespräch

Shortparis kommen aus Sankt Petersburg, spielen vermeintlich harmlose Discomusik, ihre Texte stecken allerdings voller politischer Anspielungen. Kein Wunder, dass Shortparis im letzten Film des regimekritischen Regisseurs Kirill Serebrennikow aufgetreten sind, der erst kürzlich aus dem Hausarrest entlassen wurde.

Lingua Ignota

LINGUA IGNOTA

Lingua Ignota

Die Mystikerin aus den USA

Shortparis spielt mit Synthieklängen aus den 80ern, viel weiter zurück in die Vergangenheit hat hingegen die US-amerikanische Musikerin Kristin Hayter geblickt. Ihr Künstlername ist Lingua Ignota, nach der Kunstsprache der mittelalterlichen Mystikerin Hildegard von Bingen, und ihre Musik klingt dementsprechend nach Kirchenorgel und Liturgie.

Donaufestival-Leiter Thomas Edlinger: "Unsere Gegenwart ist nicht mehr dadurch bestimmt, dass sie sich wie früher in der Moderne klar und deutlich von einer Vergangenheit loslöst, sondern dass die Vergangenheit weiterwirkt."

Geister der Vergangenheit

Tatsächlich fliegen sie in Krems heuer tief, die Geister der Vergangenheit. Da hat der israelische Gitarrist Yonatan Gat die alten Gesänge der Medizinmänner des Algonkin-Volkes ausgegraben und die türkische Musikerin Hüma Utku traditionelle anatolische Rhythmen in ihren Laptop eingespeist.

Da wird Identität nicht als eingerastetes Konstrukt begriffen, sondern als befreiendes Spiel und genau darum soll es ja gehen in Krems, so Thomas Edlinger: "Nicht nur mich beschleicht ein gewisses Unbehagen in Bezug auf die Art und Weise, wie Identität als starke Markierung verwendet wird heutzutage. Und ich glaube, gegen diese Vorstellung von Identität ist es wichtig, eine Stimme zu erheben und Solidaritäten mit Menschen zu stärken, mit denen man nicht unbedingt etwas gemeinsam hat."

Lyrik-Rap

Mit der britischen Rapperin, Lyrikerin und Schriftstellerin Kate Tempest hat sich das Donaufestival den bekanntesten Namen heuer für das Finale am 5. Mai aufgehoben. Tempest, Jahrgang 1985, hat sich ja nicht nur als Musikerin, sondern auch als Schriftstellerin einen Namen gemacht. Ihr Debütroman "Worauf du dich verlassen kannst" wurde zum internationalen Bestseller und mit ihrer Spoken-Word-Performance "Brandneue Klassiker" gewann sie als erste Lyrikerin unter 40 den renommierten Ted Hughes Award.

Der Schriftsteller als Avatar

Auch ein deutschsprachiger Schriftsteller ist übrigens in Krems zu Gast und zwar Thomas Melle, dessen Roman "Die Welt im Rücken" lange Zeit als furioser Monolog von Joachim Meyerhoff im Akademietheater zu sehen war. Beim Donaufestival arbeitet Thomas Melle allerdings mit Stefan Kaegi und seiner Performance-Gruppe Rimini Protokoll zusammen. Festival-Leiter Thomas Edlinger: "Man sieht auf der Bühne niemanden schwitzen, dafür aber einen Roboter, der die Gesichtszüge von Thomas Melle trägt."

Wenn Sie gekommen sind, um einen Burgschauspieler zu sehen, dann sind sie falsch, aber wenn sie gekommen sind, um das Authentische zu sehen, dann sind Sie auch falsch. Deshalb soll es heute gar nicht um mich, sondern um Sie gehen. Sagt der Avatar Thomas Melle und wird damit mit Sicherheit nicht der einzige Künstler beim Donaufestival sein, der das Publikum herausfordern und aus der Reserve locken wird.

Service

Vimeo - Stefan Kaegi / Rimini Protokoll und Thomas Melle

Gestaltung

  • Wolfgang Popp