Hermann Scheidleder

APA/HANS KLAUS TECHT

Burgtheater

"Zelt" - Uraufführung von Herbert Fritsch

Am Wiener Burgtheater hat der Regisseur und Medienkünstler Herbert Fritsch zuletzt "Der eingebildete Kranke" und die "Komödie der Irrungen" inszeniert. Sein jüngstes Stück "Zelt" - kommt ganz ohne Worte aus.

Morgenjournal | 26 04 2019

Katharina Menhofer

Fritsch, Jahrgang 1951 und prägender Akteur und Regisseur an der Berliner Volksbühne unter Frank Castorf, ist bekannt für seine slapstickhaften, bunten Inszenierungen, bei der Text und Sprache eine untergeordnete Rolle spielen, dafür aber Räume, Töne, Gesten und Farben im Vordergrund stehen.

Hermann Scheidleder

Hermann Scheidleder

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Am Anfang war das Zelt

Wie man ein solches aufstellt, das kann man im Burgtheater ganz genau mitverfolgen. Vom Auspacken aus der Zelttasche, über das Stäbe zusammenstecken, das Einfädeln in die Schlaufen bis hin zum Aufrichten. Zuerst ist es nur ein einzelner Clown, der sich umständlich und akribisch mit dem Zelt abmüht, doch kaum steht es, entsteigen ihm immer mehr rotwangige Menschen, schrill-geblümten Dirndln und grellen Steireranzügen und 20 weiteren Zelten, die aufgebaut werden müssen.

"Ich hatte auf einmal so eine Idee, dass jemand ein Zelt aufbaut auf der Bühne und auf einmal kommen da ganz viele Dinge oder Leute raus. Das war meine Grundidee."

Szene aus dem Stück "Zelt", Frauen und Männer mit Gitarren und bunter Bekleidung

APA/HANS KLAUS TECHT

Der Schauspieler als Konzept

Mit einer Grundidee und ein paar vagen Bildern im Kopf startet Herbert Fritsch meistens seine Arbeiten - die große Leere am Beginn jeder Produktion ist ihm wichtig, "dass man nichts weiß und dass man sich nicht zukleistert mit Sekundärliteratur und was das Zelt alles sein könnte - so politisch aufgeladen und so, das alles will ich gar nicht."

Alles entsteht durch und mit den Schauspieler/innen während des Probenprozesses, sagt Fritsch, der selbst Schauspieler war und mit viel Feingefühl mit ihnen umgeht. Er sei Regisseur geworden, weil er vieles vermisst habe. Auf der Bühne geknechtete Menschen zu sehen sei furchtbar, Text gibt es keinen.

Herbert Fritsch

Herbert Fritsch

BURGTHEATER/REINHARD WERNER

Das große Schweigen

Fritsch hat das Sprechtheater satt, das sowieso nichts verändere. Generell werde so viel gesprochen, aber alles werde immer noch schlimmer. Eigentlich wäre das große Schweigen angesagt, meint Fritsch. "Am laufenden Band werden uns Storys erzählt, Geschichten noch und noch, wir leben in einem Müllhaufen an Geschichten. Ich kann keine Aussage mehr treffen, weltpolitisch oder was auch immer, das wäre eine Anmaßung, außerdem wüsste ich gar nicht wohin ich sie verändern soll."

Dass er mit seinen Arbeiten durchaus polarisiert ist Fritsch bewusst, das hat er mit Frank Castorf gemein, mit dem er über 20 Jahre lang an der Berliner Volksbühne gearbeitet hat - erst als Schauspieler, später als Regisseur. Er will ein Theater, das Grenzen überschreitet, unterhält und physisch berührt. Ihm geht es um die optische und akustische Öffnung der Sinne.

Kein Horror, keine Message

"Ich macht kein Horror auf der Bühne, bei mir fließt kein Blut und es wird nicht rumgebrüllt, keine Thesen werden geäußert und keine Message verbreitet", sagt Fritsch, "ich mach einfach Bilder und vermittle Eindrücke - und da kann man so oder so drauf reagieren. Aber oft hab‘ ich die Erfahrung gemacht, dass Menschen zuerst gesagt haben, nein, war das ein Scheiß und dann hab‘ ich gesagt, schau es dir noch einmal an, und dann waren sie plötzlich begeistert, weil sie etwas für sich entdeckt haben." Das konsequente Zeigen von Dingen und Entschleunigen von Prozessen ist Fritsch wichtig.

Darsteller haben ihre Köpfe in Putzkübeln

BURGTHEATER/REINHARD WERNER

Er liefert die Bilder, dazu - etwa zu Beginn eine Putzkolonne, die synchron und bei wechselnden Lichtstimmungen den Bühnenboden schrubbt, oder nach dem Zeltaufbau die Lagerfeuerromantik der etwas anderen Art, ein 20-minütiges rhythmisch-ekstatisches Konzert mit Gitarren und Akkordeon.

Sinnliches Theater ist es in jedem Fall, und wenn gegen Ende die beleuchteten Zelte wie bunte Ballons im riesig-weiten Bühnenrund tanzen, ist das pure Poesie. Wem der Abend trotz allem nichts zu geben vermag, der weiß danach zumindest eines ganz genau: Wie man ein Zelt aufbaut.

Gestaltung