Zaun eines Gefängnisses

APA/HELMUT FOHRINGER

Buch

Handbuch zum Überleben im Gefängnis

"Prison - A Survival Guide" verspricht nicht das Überleben in der Wildnis, sondern im Gefängnis. Das Buch bietet aber keinen Blick von außen, verfasst hat es nämlich ein ehemaliger Strafgefangener - und dementsprechend genau schildert es den Gefängnisalltag.

Morgenjournal | 16 07 2019

Wolfgang Popp

Carl Cattermole wurde wegen Sachbeschädigung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, als er nach einem Jahr wegen guter Führung entlassen wurde, setzte er sich hin und schrieb alles auf, was er beim Eintritt ins Gefängnis gerne gewusst hätte.

Es ist so etwas wie ein Lonely Planet für britische Gefängnisse

Ein Freund fertigte tausend fotokopierte Exemplare an, doch dann wurden ein großer Verlag und ein berühmter Schriftsteller auf das Buch aufmerksam. Carl Cattermole: "Es ist so etwas wie ein Lonely Planet für britische Gefängnisse, und Bestsellerautor Will Self hat das Buch zur Pflichtlektüre erklärt."

Das Deo als Währung

Tatsächlich gibt es dort Grundsätzliches zu lesen, etwa, wie man aus Dosenfischöl Salatdressing macht, dass man nicht als Bettnässer eine Einzelzelle bekommt, wohl aber wenn man behauptet, Stimmen zu hören, und dass Zigaretten keine harte Währung mehr im Gefängnis sind, weil sie von Toiletteartikeln und Fischkonserven abgelöst wurden. Soweit das körperliche Wohlergehen.

Cattermole bringt aber auch den psychischen Aspekt zur Sprache, die schleichenden Veränderungen, die in der Haft mit einem vor sich gehen: "Man bekommt diesen kalten Blick, weil einem im Gefängnis diese Lächeln-ist-verboten-Mentalität aufgezwungen wird. Ich merke heute auch, wie ich die Fähigkeit verloren habe, Begeisterung zu zeigen. Da ist etwas passiert, das lässt sich nicht rückgängig machen. Auch auf der Straße erkenne ich Menschen, die schon einmal gesessen haben, sofort an ihrem Gesichtsausdruck."

In Haft heißt nicht aus der Welt

Cattermole spart nicht mit Kritik, wenn es um die Grundstrukturen des Gefängnissystems geht. Es gäbe zwar Werkstätten und Bildungseinrichtungen im Gefängnis, aber kein Personal, um die Häftlinge zu betreuen. Jeder wisse, wie wichtig die Sozialkontakte nach außen seien, Telefonate seien aber schrecklich teuer und Besuche werden oft wegen fadenscheiniger bürokratischer Vorwände unterbunden.

Wir haben ein System, das Straftäter schlimmer aus der Haft entlässt als sie vorher waren.

Carl Cattermole plädiert außerdem für mehr Chancen zur Fortbildung während der Haft: "Wegen mehrerer Regierungen, die einen harten Kurs in der Verbrechensbekämpfung einschlagen wollten, haben wir jetzt ein System, das Straftäter schlimmer aus der Haft entlässt als sie vorher waren. Statt sie mit Bildung vollzustopfen, werden sie den ganzen Tag mit einem Fernseher in ihre Zellen gesperrt, und außerdem gibt es drinnen mehr Drogen als draußen auf der Straße."

Heroin am Billardtisch

Der Drogenmissbrauch in den Gefängnissen eskaliert, dazu kommt, dass die Einführung von Drogentests die Situation noch verschärft hat. Da Cannabis noch Monate nach dem Konsum im Harn nachgewiesen werden kann, Heroin aber sehr schnell abgebaut wird, haben viele Häftlinge zur härteren Droge gewechselt. Carl Cattermole: "Gleich in der Früh sind Männer an den Billardtischen gelehnt und haben Heroin in ihre Zigaretten geträufelt."

Die Reform des Gefängnissystems ist derzeit ein großes Thema im Vereinigten Königreich und Carl Cattermole wird als Experte zu Vorträgen und Talk-Shows eingeladen. Mit seinem Buch, das jeder lesen, aber keiner brauchen sollte.

Service

Carl Cattermole, "Prison - A Survival Guide", Penguin

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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