André Heller

APA/HERBERT PFARRHOFER

Album

"Spätes Leuchten" von Andre Heller

Fast könnte man vergessen, dass Andre Heller als Liedermacher und Chansonnier seine Karriere begann. In den frühen 1970er Jahren war er einer der Katalysatoren des Aufbruchs in eine spezifisch österreichische Spielart des Pop. Heute kennt man Heller als künstlerisches Universaltalent. Dass er nun, 35 Jahre nach seinem letzten regulären Album, zu seinen künstlerischen Wurzeln zurückkehrt, ist auch ein symbolischer Akt. "Spätes Leuchten" heißt das Comeback-Album, das Heller wohl nie so bezeichnen würde. Robert Rotifer stand ihm dabei zur Seite - und Heller hat von seiner Magie nichts eingebüßt.

Kulturjournal | 13 11 2019 Andre Heller im Gespräch

David Baldinger

"Wir fliegen hoch, und wir fallen tief" - so wollte Andre Heller das nicht stehen lassen. Nicht, dass jemand auf den Gedanken kommen könnte, Heller, der Ideen-Akrobat, habe musikalisch schon alles gesagt oder gar alles gedacht. "Spätes Leuchten" ist ein Update und eine Lebensbilanz. "Trotz allem, was an Furchtbarkeiten und Angstrasereien in deinem Leben war - gib das zu und sag, du bist vom Glück verfolgt", so Heller.

Die Stillstandswollust halt ich für ein Schwänzen der Möglichkeiten

Es ist ein mächtiges Werk, das einem schon in den ersten Nummern den Atem verschlägt. Mit so viel Präsenz, Dringlichkeit, geballter Poesie und persönlicher Leidensgeschichte konnten selbst avancierte Optimisten nach drei Jahrzehnten Pause nicht rechnen.

Morgenjournal | 13 11 2019

David Baldinger

Andre Heller: "Diese Stillstandswollust, die so viele Menschen haben, die mit 27 ein Bild von sich selber haben, dem sie dann treu bleiben - das halte ich für ein Schwänzen der Möglichkeiten." Die Schonungslosigkeit mit der Heller hier Alter, Zerbrechlichkeit, Zweifel und Lebenslektionen ausstellt, erinnert an den großen Johnny Cash und dessen von Rick Rubin produzierte "American Recordings". Auch thematisch sind die beiden Brüder im Geist.

Der Tod ist mein bester Mitarbeiter,

der sagt: 'Pass auf, es kann jeden Augenblick beendet sein. Nütz weise, was du an Stunden, Minuten und Tagen noch hast'", so der Chansonnier.

Eingespielt wurde "Spätes Leuchten" zwischen 2015 und 2018. Mann im Hintergrund war der Musiker und Journalist Robert Rotifer. Seinem Gespür ist es zu verdanken, dass Heller hier frisch klingt und sich auf ein hervorragendes junges Ensemble verlassen kann, das seine poetischen Schwingungen einfühlsam übersetzt.

André Hellers Cover

BITESNICH

Im Garten der Lebensthemen

Mit 72 wühlt sich Andre Heller noch einmal durch den Garten seiner Lebensthemen. Seinem oft streitbaren früheren Ich, begegnet er heute gelassen: "Ich wollt zu keinem Zeitpunkt meines Lebens ein Arschloch sein. Wenn ich mir die Handlungen in der Retrospektive anschaue, dann denke ich, in der Wahrnehmung anderer bin ich es wohl zu dem Zeitpunkt gewesen. Aber ich weiß, dass das alles Stufen waren, die ich gebraucht hab, um in meinem Bewusstsein höher zu steigen."

Mit diesen 16 neuen Liedern schließt sich nicht nur biografisch ein Kreis. Andre Heller reicht nicht nur symbolisch einer neuen Musikergeneration die Hand, er reicht vor allem sich selbst die Hand - versöhnt, gelassen und dankbar. In jedem Takt spürt man, wie sehr dieses Album Herzensangelegenheit ist. Nicht nur für Heller-Anhänger eine Einladung, diesem Mann wieder einmal unvoreingenommen und in Ruhe zuzuhören.

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