Rudolf Buchbinder sitzt vor dem Klavier.

MARCO BORGGREVE

Im Gespräch

Der Pianist Rudolf Buchbinder

"Einfach nur seinem Klavierspiel lauschen ..." - Variationen über Beethoven.

"Schade, zu spät", soll Ludwig van Beethoven 1827 gesagt haben, als man ihm eine Flasche Wein an sein Sterbebett brachte. Gerade noch rechtzeitig hat der Pianist Rudolf Buchbinder im vergangenen März im Wiener Musikverein zum 100. Mal die "Diabelli-Variationen" aufgeführt. Wenige Tage später wurden in ganz Österreich alle Kulturveranstaltungen abgesagt und die Theater- und Konzerthäuser zugesperrt.

"Kaum ein Werk der Klassik ist so kongenial konstruiert"

Kein Komponist hat Rudolf Buchbinder so sehr geprägt wie Beethoven. Kein klassisches Werk hat er so oft aufgeführt wie die "Diabelli-Variationen". In den 1820er Jahren schrieb der Musikverleger Anton Diabelli einen Walzer und bat österreichische Komponisten, darunter Größen wie Franz Schubert, Franz Liszt und Carl Czerny, diesen zu bearbeiten. Schließlich veröffentlichte Diabelli 83 Variationen. Nicht weniger als 33 davon stammen aus Beethovens Feder.

"Kaum ein Werk der Klassik ist so durchdacht, derart geplant und kongenial konstruiert", schwärmt Buchbinder in seinem im Februar erschienenen Buch "Der letzte Walzer - 33 Geschichten über Beethoven, Diabelli und das Klavierspielen".

Das "schwarze Monster" lockt …

Es sei bloß Zufall, meint der 1946 in der damaligen Tschechoslowakei geborene Buchbinder, dass er heute Pianist sei. Er wisse nicht einmal, wieso in seinem damaligen Zuhause ein Klavier gestanden sei. Aber das "schwarze Monster" weckte seine kindliche Neugier. Sein musikalisches Talent wurde von einem Freund der Familie erkannt und gefördert. Im Alter von fünf Jahren begann Buchbinder, an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien Klavier zu studieren. Bald schon galt er vielen als Wunderkind.

Wahrscheinlich übe ich öfter ohne Klavier

Abgesehen von musischer Begabung und technischem Können ist für Buchbinder das Wissen um den Komponisten bzw. die Komponistin sowie den Entstehungskontext eines Musikstücks essenziell. "Wahrscheinlich übe ich öfter ohne Klavier als mit dem Instrument. Ich beschäftige mich gern in Gedanken mit den Werken", betont Buchbinder. Nur so könne es gelingen, Komponist/innen für das Publikum sichtbar zu machen. Als "Schlüsselwerk" für sein Verständnis des Klavierspielens gelten Buchbinder die "Diabelli-Variationen".

1973 spielte Buchbinder als erster Pianist sämtliche "Diabelli-Variationen" auf Schallplatte ein. "Monsieur Diabelli" nannte man ihn. Freilich ist das Schaffen des Jazz-Liebhabers und bekennenden Chuck-Berry-Fans vielfältiger, als dieser Spitzname suggeriert. Buchbinder legte 1977 eine Aufnahme des gesamten Klavierwerks von Joseph Haydn sowie 1979 die erste Gesamtaufnahme sämtlicher Beethoven-Sonaten vor. Zahlreiche Preise und Ehrungen säumen Buchbinders über 60 Jahre währende musikalische Laufbahn. Seit 2007 leitet er das Grafenegg Festival.

Diabelli-Projekt zum Jubiläum

Anlässlich des 250. Geburtstags von Beethoven hat Buchbinder zehn Komponisten und eine Komponistin eingeladen, zeitgenössische Variationen des Diabelli-Walzers zu entwickeln. Das Ergebnis hat der Pianist für die Deutsche Grammophon eingespielt. Tonträger und Musikstreamingdienste, aber auch Soziale Medien sind in Zeiten wie diesen ein wertvolles Surrogat. Via Instagram sendet Buchbinder ermutigende Durchhalteparolen an seine internationale Fangemeinde: "Stay safe and stay healthy!"

Worüber sich der Pianist mit Beethoven unterhalten würde? "Viel lieber als mit ihm zu sprechen, würde ich einfach nur seinem Klavierspiel lauschen", meint der Pianist. Worüber sich Renate Burtscher mit Rudolf Buchbinder unterhält, hören Sie in der Ö1 Sendereihe "Im Gespräch".

Text: Viktoria Waldhäusl

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Rudolf Buchbinder