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DER GELBE STERN

Autor

Peter Pessl (Österreich)

Regie

Renate Pittroff

Musik

Christoph Theiler

Produktion

ORF / DLR-B (Neuproduktion)

Schnitt

Anna Kuncio

Ton

Josef Relinger

Mit

Cornelia Lippert (Sie)
Rudolf Wessely (Er)
Daniela Dadieu (Therese, Passant 4)
Robert Grass (Der nackte Uhrmacher, Passant 1)
Brigitte Antonius (Ältere Frau, Passant 2)
Evelyn Blumenau (Mascha, Passant 3)
Karl Menrad (Sprecher)

Christoph Theiler: Klavier

Inhalt

Vorwort des Autors:
Ich betrete die grossen Landschaften Mexikos, ich sehe Sterne, ich gehe die Avenida Tacuba in Mexiko-City hinab bis zum Palacio de Bellas Artes. Tag und Nacht. Motoren begleiten mich, Hunde, Menschen; Frauen vor allem und Kinder. Es kann sein, daß ich Frida Kahlo erinnere, 1907 geboren und 1954 gestorben, Malerin, Liebende, Revolutionärin, ihre Mutter Mestizin, der Vater ein Photograph jüdisch-deutsch-ungarischer Abstammung. Sie wird eigentlich immer von Diego Rivera begleitet, Maler, Geliebter, Revolutionär. Ihn aber begleitet immer ein Hund, oder ein Huhn, warum weiß ich nicht. Jedesmal bleibe ich vor dem Cafe Tacuba stehen, es kann sein, daß Tina Modotti heraustritt, Photographin, Revolutionärin, oder ihr Geliebter, der kubanische Revolutionär Julio Mella, der in den 30er Jahren auf einer der Strassen von Mexiko-City erschossen wurde. Es kann sein, daß ich bis zum Morgen das blaue Haus in Coyoacan, einem Vorort Mexiko-Citys, erreiche, in dem Frida Kahlo lange gelebt hat, dort spreche ich mit den Anwesenden: einem haarlosen Hund, einem winzigen Mestizenmädchen, Novalis, Bakunin, Trotzki. In dieser Reihenfolge. Am liebsten aber spreche ich mit einem gelben und einem weissen Huhn.
Die junge, mondäne Frau in "Der gelbe Stern" ist nicht Frida Kahlo, der alte Mann ist nicht Diego Rivera, keine Person steht für irgendjemanden, der gelebt hat, oder lebt. Ich glaube nicht an die Existenz von Menschen. Wir sind vorübergehend. Eigentlich existiert niemand. Es ist die Unschärfe, die mich interessiert, die Unschärferelation von Berührung und Entfernung, das Streifen an den Rändern der Wirklichkeit, die aus Erzählungen besteht, aus nichts sonst.

Peter Pessl: geb. 1.3.1963 in Frankfurt/Main, aufgewachsen in der Bundesrepublik und in Österreich, seit 1984 freier Schriftsteller, einige Jahre Lektor und Herausgeber in einem Literaturverlag, längere Aufenthalte in Kreta, Mexiko, Latium, lebt derzeit in Wien und in der Steiermark. Veröffentlichungen: "Splitter und Sporen" Gedichte 1984,(ganggan Verlag), "Mein Ohr alle Welt", Gedichte 1987, "Aber das ist nicht die Stille" Prosa 1989, "Regen im Gesicht", Erzählungen 1992 (alle Droschl Verlag), "Doppelte Blendung" Wiener Vorlesungen zur Literatur 1993 (mit Petra Ganglbauer)(Edition Freibord) 1995. Hörstücke für das ORF-"Kunstradio" ("Wie es möglich ist mit geschlossenen Augen" 1991, "Große Brenessel" 1994, "Anchored in Trance" 1996). Hörspiel: "Der Mund des Intimen" 1996.

Sendedaten

10. Juli 1997 (NP, 38:00 min )