Zeit-Ton

Zeit-Ton Magazin. Rückblick, Vorschau und aktuelle CDs. Gestaltung: Christian Scheib

Geheimnisvolles Wispern schattenhafter Existenz

Ende der 80er Jahre übernahm der italienische Komponist Salvatore Sciarrino einen Auftrag, der für "E-Musik-Komponisten" per se ungewöhnlich, für einen derart auf subtilste Nuancen und das Inszenieren des Unaussprechlichen konzentrierten Komponisten wie Sciarrino ganz besonders erstaunlich ist, nämlich die Filmmusik zu einer mehrteiligen, genau gesagt gleich 104teiligen Fernsehserie zu schreiben. Aber immerhin ging es um eine künstlerische Fernsehfassung der Divina Commedia von Dante.

Mit Zögern hätte er den Auftrag angenommen, bekennt Salvatore Sciarrino, sei doch eine klassische üprogrammatische Vertonung dieser Textvorlage undenkbar und alles Opernähnliche wohl lächerlich. Eine klangliche Architekturzu bauen, die wie in einem einzigen riesigen Bogen konstruiert ist und doch in allen text- und stimmungskorresponierenden Teilen eine wie perfekte Gliederung habe, das sei dann sein Ziel gewesen. Er schrieb schlussendlich mehr als 15 Stunden Musik und fertigte gleich parallel eine Konzertfassung desselben musikalischen Materials an, drei Stücke für Orchester mit jeweils einer knappen Stunde Dauer und nannte diese Stücke "Zu den konzentrischen Gedichten", im original "Sui poemi concentrici I - III", bezugnehmend auf die himmlischen und höllischen Kreise aus Dantes Werk.

Eigentlich hatte Sciarrino ein Werk von hundert Minuten geplant, entsprechend der 100 Gesänge Dantes, aber das Eigenleben der Klänge ließ dann doch knappe drei Stunden daraus werden. Formal gesehen sind die Werke für Orchester und mehrere Solisten fast so etwas wie Concerto Grossi, mit einem korrespondierenden Klangleben eigenständiger Solo-Instrumente versus dem flirrenden, zwischen Statik und unruhiger Bewegung oszillierendem Orchesterklang. Es gibt natürlich keine direkten beschreibenden Szenen in dieser Musik, am ehesten findet man den Dante in diesem Sciarrino in einer weit aufgefächerten Welt geheimnisvollen Wisperns und andeutenden Klangredens, in einem Universum von Klanglebewesen zwar verschiedenster Charaktersitik aber durchwegs schattenhafter Existenz, die Dantes Kosmos bevölkern.

"Sui poemi concentrici" von Salvatore Sciarrino ist bei Kairos als 3er-CD erschienen, wurde in zeit-Ton schon kurz vorgestellt und steht nun im Mittelpunkt dieser Ausgabe des Zeit-Ton Magazins, gestaltet von Christian Scheib.

Sendereihe

Playlist

Titel: ZTT 100414 Zeit-Ton Magazin / Sciarrino
Länge: 56:04 min

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