Gedanken für den Tag

"Armut ist vermeidbar" von Michaela Moser

Die (katholische) Sozialexpertin macht gemeinsam mit dem (evangelischen) Sozialexperten Martin Schenk in deren Plädoyer "Es reicht! Für alle!" deutlich, dass selbst in Krisenzeiten Armut vermeidbar wäre und dass die gerechtere Verteilung des Wohlstands eine der drängendsten Fragen dieser Zeit ist.

Armut, das klingt nach Siedlungen mit ärmlichen Hütten irgendwo weit weg, das klingt nach Kindern, die in Pappschachteln auf der Straße leben oder auch nach der Bettlerin mit Kopftuch, die fast jeden Sonntag vor der Kirche sitzt. Armut, das klingt nach dem Obdachlosen, der am Bahnhof gerade neulich wieder alle angeschnorrt hat.
 
Von Armut betroffen sind jedoch auch in Österreich viel mehr Menschen - rund eine halbe Million nach offizieller Statistik - und die meisten von ihnen bleiben unsichtbar. Weil sie alles dafür tun, dass niemand merkt, wie schwierig ihre Situation ist. Weil sie den Kindern - und sich selbst - die mitleidigen oder vorwurfsvollen Blicke ersparen und sich nicht beschimpfen lassen wollen als angebliche Sozialschmarotzer und -schmarotzerinnen.
 
Dass die Kinder im Winter in Handschuhen Hausaufgaben schreiben, weil das Geld fürs Heizen lang schon nicht mehr reicht, kann niemand sehen. Dass es in der zweiten Monatshälfte nur mehr Nudeln zum Essen gibt, muss niemand mitbekommen. Dass die Raten für den Wohnungskredit nicht mehr bezahlt werden können, weiß nur die Bank. Dass der letzte Zahnarztbesuch schon Jahre zurück liegt, fällt nicht so schnell auf.
 
Wer in Österreich in Armut lebt, für den oder die ist vieles, was eigentlich selbstverständlich scheint, nicht leistbar. Wer in Armut lebt, leidet aber nicht nur am Mangel an Ressourcen, sondern auch an den sich daraus ergebenden fehlenden Perspektiven und Möglichkeiten. An Ängsten und Einsamkeit, dem Gefühl versagt zu haben, das eigene Potential nicht einsetzen und nichts beitragen zu können zur Gesellschaft und dafür schief angeschaut, respektlos behandelt oder gar nicht mehr gesehen zu werden.

Armut zu bekämpfen verlangt deshalb zunächst einmal sie wahrzunehmen. Nicht weg-, sondern genau hinzuschauen auf die konkreten Lebensrealitäten von Menschen und mitzubekommen, dass die Betroffenen nicht nur irgendwo weit weg sondern oft direkt neben uns leben.

Service

Buchtipp:
Martin Schenk, Michaela Moser: "Es reicht! Für alle! Wege aus der Armut", Deuticke Verlag

Links:
Diakonie Österreich
Armutskonferenz

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