Gedanken für den Tag

"Jerusalem - Botschaften einer Stadt" von Wolfgang Treitler

Wolfgang Treitler ist Fudamentaltheologe an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

Jerusalem, die Stadt des Königs David, ist Hauptstadt Israels und von großer Bedeutung für Judentum, Christentum und Islam. Jerusalems Botschaften gingen stets auch die Welt etwas an und sind heute vielleicht aktueller denn je: Es sind Botschaften der Offenheit, der freien Tage und des religiösen Lebens.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Drei Sprachen

Vor 60 Jahren, im Juli 1950, wurde vom israelischen Parlament in Jerusalem das Gesetz beschlossen, dass jeder Mensch jüdischen Glaubens das Recht hat, in Israel zu leben. Und im Jänner 1950 erklärte die Knesset Jerusalem zur Hauptstadt Israels.

Diese Stadt wurde der Überlieferung nach von König David erobert. Damals war sie eine kleine Höhensiedlung, die strategisch keine besondere Bedeutung hatte. Sie lag nicht im fruchtbaren Land, sie blühte nicht durch große Handelswege auf, sie gab zu keiner Zeit viel Wasser her und durchlief eine unglaublich spannungsreiche Geschichte bis heute. Immer wieder ging es um die Frage, wer in Jerusalem dominiert, wer dort was durchsetzt, wer wen austreibt. Meist waren Juden die Leid Tragenden.

Doch Israel hat seine Hauptstadt nicht - gleichsam als Vergeltung für die schweren Jahrhunderte - abgeschlossen gegen die Außenwelt. Jerusalem zeigt ein offenes Bild: Überall findet man die Straßen in drei Sprachen angeschrieben, in Hebräisch, in Arabisch, in Englisch. Jerusalem ist eine Weltstadt im Orient, die sich müht, offen zu sein, und das auch sprachlich zeigt.

Das kommt eben auch aus der langen, verhängnisreichen Geschichte, die das Volk Israel durchlaufen hat. Man lebte unter vielen Völkern und Sprachen schon seit dem 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, seit dem babylonischen Exil. Das Volk Israel ist deshalb wohl dasjenige unter allen Völkern, das die meisten Sprachen der Welt spricht und versteht. Und so brachte es auch nach Jerusalem viele Sprachen mit, bekannte und weniger bekannte, und spricht sie dort noch heute, wenn sich auch das Hebräische als Landessprache durchgesetzt hat.

In seinen vielen Sprachen spiegelt Jerusalem den menschlichen Kosmos auf seine Weise wider. Das macht es vielleicht, dass man sich in Jerusalem irgendwie immer auch ein wenig zu Hause fühlen kann, egal ob man nun jüdisch ist oder nicht. Man durchwandert die Stadt und kann lesen, wo man ist, man kann sich orientieren in der Stadt Davids. Ihr Reichtum liegt nicht in ihrer geografischen Lage, sondern in ihrer einladenden Vielsprachigkeit. Vielleicht auch eine Anregung für den Süden Österreichs?

Service

Wenn Sie diese Sendereihe kostenfrei als Podcast abonnieren möchten, kopieren Sie diesen Link (XML) in Ihren Podcatcher. Für iTunes verwenden Sie bitte diesen Link (iTunes).

Sendereihe