Gedanken für den Tag

"Zum 400. Todestag des Malers Caravaggio" von Johanna Schwanberg

Johanna Schwanberg ist Kunstkritikerin und Universitätsassistentin für Kunstwissenschaft und Ästhetik in Wien und Linz.

Er gilt als "Rockstar der Kunstgeschichte" - als verruchter, kompromissloser Künstler par excellence. Genial, zügellos, gewalttätig. Zugleich war seine unkonventionelle, sinnliche Malerei mit ihren dramatischen Licht- und Schatteneffekten lange in Vergessenheit geraten. Wie kaum ein zweiter ist der barocke Meister der Lichteffekte seit seinem Tod am 18. Juli 1610 von zahlreichen Mythen umgeben. Die "Gedanken für den Tag" gehen dem Menschen und Künstler anhand ausgewählter Bildbesprechungen unterschiedlicher Sujets (religiöse Motive, Stillleben, weltliche Porträts) auf die Spur und beleuchten das Faszinosum Caravaggio auf vielgestaltige Weise.
Gestaltung: Alexandra Mantler

"Name!"
"Michelangelo Merisi"
"Geboren!" .
"1571."
"Und wo?!"
"In Caravaggio."
"Sie sind Künstler?"
"Das wissen Sie!"
"Und Mörder!"
"Ich habe lediglich vorgezogen, nicht der Ermordete zu sein."
"Sie verwandeln Bauernweiber in Madonnen und Plebejer in Apostel."
"Ich male die Menschen so, wie sie aussehen. Die Mühseligen und die Beladenen. Die Menschen, deren Jesu sich angenommen hätte."
 
So etwa könnte ein Verhör mit dem italienischen Barockmaler geklungen haben, der aufgrund einer Rauferei mit Totschlag die letzten Lebensjahre auf der Flucht war. Es ist in dieser Form allerdings Fiktion, geschrieben im Jahr 2006 von Gerhard Falkner. Der Schriftsteller ist nur einer von unzähligen Kunstschaffenden, die sich an Caravaggio abgearbeitet haben. Über 3500 Publikationen sind bereits über ihn veröffentlicht worden. Auch die Jubiläumsausstellungen zu seinem 400. Todestag in Rom, Florenz und Rimini werden gestürmt. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Michelangelo Merisi, der nach seinem Heimatort Caravaggio benannt wurde, Jahrhunderte vergessen war.

Caravaggios Biografie bleibt bis heute ein Faszinosum. Seine Malerei wurde auf unvergleichliche Weise mit seiner mythenumwobenen Vita verknüpft. Kein Wunder: Sie spielt alle Stücke, die das Leben so spielen kann. Leidenschaft, Ruhm, Genialität, Gewalt, Tragik - all das ist mit Caravaggios Lebensweg eng verknüpft.

Letztendlich wird seine Biografie immer eine Legende bleiben, auch wenn seine sterblichen Überreste rechtzeitig zum Jubiläum angeblich in der Toskana gefunden wurden. Was mich aber jenseits aller Spekulationen rund um sein Leben vor allem fesselt, das ist seine innovative und sinnliche Hell-Dunkelmalerei mit den dramatischen Lichtinszenierungen. Caravaggio gelingt es, biblische Themen so zu malen, dass sie damals wie heute unter die Haut gehen. Er aktualisiert religiöse Erzählungen über  die "Dornenkrönung", "Die Berufung des Heiligen Matthäus" oder "Die Bekehrung Pauli", indem er das heilige Geschehen und alltägliches Leben untrennbar miteinander verknüpft.

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