Gedanken für den Tag

"Gastfreundlich sein wie Abraham und Sara" von Josef Schultes

Josef Schultes ist katholischer Theologe und Religionspädagoge.

Abraham und Sara: Viele Geschichten ranken sich um diese beiden Gestalten. "JHWH erschien Abraham bei den Eichen von Mamre, zur Mittagshitze am Zelteingang". So beginnt eine der bekanntesten Erzählungen aus dem ersten Buch der Bibel, "Genesis". Sie handelt von der typisch orientalischen Gastfreundschaft der "Stamm-Eltern" drei Männern gegenüber. Es ist eine Story von Gastfreundschaft und ihren Nachwehen: Im hebräischen Original wird den kinderlosen Senioren ein Sohn verheißen. In der orthodoxen Ikonen-Kunst leuchtet hier schon die Dreifaltigkeit auf. Und im Islam wird Abraham zum Propheten Ibrahim, hoch verehrt in seinem angeblichen Geburtsort Urfa. Wo auch Christen zum Mittagsgebet in der Moschee eingeladen sind, von einem gastfreundlichen Imam ...
Gestaltung: Alexandra Mantler

Es ist noch früh am Morgen. Turteltauben gurren in den Bäumen. Leise öffne ich das Fenster meines Hotelzimmers. Ich sehe, wie die ersten Pilger ankommen, im heiligen Bezirk. Auch wir werden ihn heute besuchen. Wir - eine Gruppe aus der Steiermark und Niederösterreich - wir machen eine Studienreise "Auf den Spuren von Abraham und Sara".
Es ist noch früh am Morgen und wir sind in Urfa. 2000 Jahre lang hieß die Stadt Edessa und war einst das Zentrum der syrisch-christlichen Theologie. Unter den Kreuzfahrern Sitz einer Grafschaft, wurde Edessa dann von den Osmanen in Urfa umbenannt.
Heute hat Urfa mehr als eine halbe Million Einwohner. Es liegt im Südosten der Türkei, kaum fünfzig Kilometer bis zur syrischen Grenze. Im Koran mit keinem Wort erwähnt, zählt Urfa jedoch zu den heiligsten Städten des Islam - an fünfter Stelle hinter Mekka, Medina, Jerusalem und Kairuan. Angeblich sollen hier große Gestalten aus Bibel und Koran gelebt haben, beginnend mit Adam und Eva bis zu Hiob und Elija.
Muslime, mehr als eine Million jedes Jahr, pilgern nach Urfa. Weil hier die Geburtsgrotte von Ibrahim/Abraham verehrt wird, des Vaters im Glauben. Hauptattraktion ist birket Ibrahim, der "Teich Abrahams". Denn einer weit verbreiteten Legende nach habe Gott Abraham vor dem Feuertod bewahrt, indem er die Flammen zu Wasser werden ließ und die nicht verbrannten Holzstücke zu - Karpfen. Von vielen gefüttert, von allen fotografiert.
Als wir in die nach Abraham benannte Moschee kommen, beginnt eben das Mittagsgebet. Der Imam, der unser Zögern bemerkt, kommt auf uns zu. "Sit down", sagt er freundlich, "pray with us". Wir sitzen da, und beten als Christinnen und Christen in der bedeutenden Moschee. Eingeladen von einem, der gastfreundlich ist - wie die Ureltern von Juden, Christen und Muslimen es waren, Abraham und Sara, als sie drei unbekannte Gäste bewirteten ...

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