Diagonal - Radio für Zeitgenossen

9. Oktober 2010, 17:05

"Ich lebe nicht in einem Land, ich lebe in einer Krise", sagt der argentinische Künstler Alejandro Marmo. Und was das Volk am Rio de la Plata tatsächlich auszeichnet, ist seine unwahrscheinliche Fantasie im Bewältigen dieser Krise. Denn nach wie vor gibt man sich trotz miserabler wirtschaftlicher Lage, Staatsschulden in astronomischen Höhen und sozialen Abgründen in aufrechter, ja stolzer Tango-Haltung. In diesem Jahr besonders: Da wird der 200. Jahrestag der Mai-Revolution gefeiert, die im Jahr 1810 die Befreiung Argentiniens von der spanischen Regentschaft eingeleitet hat und so den Status quo der Kolonien in ganz Lateinamerika ins Wanken brachte.

Ein Volk, das sich in Streiks, Straßenbesetzungen und Kochtopf-klopf-Umzügen durchaus in revolutionärer Manier zu artikulieren weiß, sind die Argentinier ganz gewiss - von der Revolution im eigentlichen Sinn, wie sie von einigen Latino-Staatschefs noch heute als Ideal ausgerufen wird, halten die Nachfahr/innen der eingewanderten Spanier, Italiener, Polen, Deutschen, Franzosen und Engländer jedoch wenig. "Ich hätte lieber, wir wären "evolutionär", sagt dazu Alejandro Marmo.

Wie evolutionär sich argentinische Literatur in den letzten 200 Jahren entwickelt hat, erfährt man heuer in Frankfurt: Argentinien ist ab 6. Oktober Gastland der Frankfurter Buchmesse. Mit dem übergroßen Schatten von Jorge Luis Borges boxen alle nachfolgenden Generationen argentinischer Schriftsteller. Und wir porträtieren seine "ewige Stadt". "Dass Buenos Aires jemals begonnen hat, kann ich kaum glauben: Mir scheint es so ewig wie die Luft und das Wasser." (aus Jorge Luis Borges: "Mond gegenüber")

Service

Michael Janoschka: "Wohlstand hinter Mauern - Private Urbanisierungen in Buenos Aires", Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften

Jason Wilson: "Buenos Aires", Signal Books, Oxford (Stadtreisefüher, auf Englisch)

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