Gedanken für den Tag

"Ars Moriendi - Ars Vivendi - Die Kunst des Sterbens und die Kunst des Lebens" von Anita Natmeßnig

Wer sich der eigenen Endlichkeit stellt, verliert Angst und gewinnt Lebensfreude. Das macht die evangelische Theologin und Psychotherapeutin Anita Natmeßnig deutlich, auch in ihrem neuen Buch "Zeit zu sterben - Zeit zu leben. Erfahrungen im Hospiz" (Styria 2010). Das berührende und Mut machende Ergebnis: Die Ars Moriendi ist ohne Ars Vivendi nicht zu denken. Die Kunst zu sterben und zu leben. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Zu Allerheiligen und Allerseelen gedenken hierzulande viele Menschen ihrer lieben Verstorbenen. Für manche ein schöner Brauch, für andere ein schwerer Gang zum Grab. Ich habe viel übers Abschied Nehmen im Zuge eines zweimonatigen Praktikums im CS Hospiz Rennweg gelernt. In weiterer Folge entstanden mein Kinodokumentarfilm "Zeit zu gehen" und ein Buch. Hospize sind für mich Orte, an denen Trauer Platz hat, ein Stück Gegenwelt zu unserer an Effizienz, Leistung und Erfolg orientierten Welt. In Hospizen darf gestorben werden, kann Trauer ihren angemessenen Raum erhalten, werden Menschen liebevoll begleitet - bis zuletzt. Für mich war es heilsam, erstmals Verstorbene zu sehen und auch zu berühren. Es erleichtert den Trauerprozess. Das Unfassbare fassen zu können, mich auszutauschen. Als Psychotherapeutin weiß ich, wie wichtig es ist, zu trauern. Und Trauer braucht ihre Zeit. Mitunter auch lange. Viel länger zumeist als die Umgebung es meint. Mir hat in meiner Trauer um meine geliebte Großmutter folgendes geholfen: Erstens: Weinen, weinen und nochmals weinen. Zweitens: Die Erkenntnis und Erfahrung: Sie hat einen Platz in meinem Herzen. Drittens: Um das zu vergegenwärtigen, habe ich mir einen Ring anfertigen lassen. Kurz vor ihrem Tod hat mir meine Großmutter, 90-jährig, noch einen Geburtstagsgruß geschickt, samt Geldbeilage. Dieses Geschenk habe ich umgewandelt in einen Ring mit einem wunderschönen geschliffenen leuchtenden Stein. Wenn ich ihn heute trage, erlebe ich nicht den Verlust oder das getrennt Sein, sondern die Verbundenheit mit meiner Großmutter. Für mich symbolisiert dieses Schmuckstück bis heute: Der Tod bedeutet das Ende eines Lebens, jedoch nicht das Ende einer Beziehung. Die Liebe aber bleibt.

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Anita Natmeßnig, "Zeit zu sterben - Zeit zu leben. Erfahrungen im Hospiz", Styria 2010

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