Gedanken für den Tag

"Ars Moriendi - Ars Vivendi - Die Kunst des Sterbens und die Kunst des Lebens" von Anita Natmeßnig

Wer sich der eigenen Endlichkeit stellt, verliert Angst und gewinnt Lebensfreude. Das macht die evangelische Theologin und Psychotherapeutin Anita Natmeßnig deutlich, auch in ihrem neuen Buch "Zeit zu sterben - Zeit zu leben. Erfahrungen im Hospiz" (Styria 2010). Das berührende und Mut machende Ergebnis: Die Ars Moriendi ist ohne Ars Vivendi nicht zu denken. Die Kunst zu sterben und zu leben.

Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Rund um Allerseelen ist der Tod in den Medien präsent. Abschied, Trauer, Sterben erhalten einmal im Jahr einen Platz. Leider nur einmal, sage ich als Psychotherapeutin und evangelische Theologin. Denn nur eines ist sicher in meinem Leben: Dass ich sterben muss. Dennoch bleibt dieses Faktum zumeist ausgeblendet, verdrängt und tabuisiert. Der Tod stört die Ordnung, durchbricht den Alltag und ist dennoch ein permanenter Bestandteil unseres Lebens. Ganz anders tönen diese Zeilen: Media in vita morte sumus, mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen - Verse eines mittelalterlichen Kirchenlieds, von Martin Luther ins Deutsche übertragen. Dieser Text verbindet in wenigen Worten etwas, was heutzutage künstlich getrennt wird. Tod und Leben als die zwei Seiten einer Medaille. Untrennbar zusammengehörend. Das Kirchenlied könnte auch umgekehrt lauten: Mitten im Tod sind wir vom Leben umfangen. Ja, es klingt für mich sogar zärtlich. Umfangen, wie vom Geliebten umarmt. Ein vielleicht schockierendes Plädoyer für eine etwas andere Sicht. Nicht nekrophil, sondern lebensbejahend. Denn je mehr ich den Tod in mein Leben integriere, je mehr Raum ich dem Sterben gebe, desto mehr lebe ich, desto bewusster bin ich mir meines Seins. Davon bin ich zumindest überzeugt. Was heißt das? Das mittelalterliche Memento Mori - Mensch, gedenk deines Todes - kann ich nützen als Chance. Nicht wie einst zur Erzeugung von Angst, sondern zur Befreiung von Angst. Als Chance, mich mutig meinem Leben zu stellen, es bewusst zu gestalten. Indem ich radikal die Verantwortung für mich übernehme: Für meine Gefühle, Gedanken und Handlungen. Nicht aus Angst vor einer Autorität im Hier- oder Jenseits, sondern im Wissen darum, dass ich mir meine Welt erschaffe. Das Memento Mori verhilft so zur Lebenskunst.

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Anita Natmeßnig, "Zeit zu sterben - Zeit zu leben. Erfahrungen im Hospiz", Styria 2010

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