Gedanken für den Tag

"Erinnere Dich!" - Zum Internationalen Holocaustgedenktag von Danielle Spera

Danielle Spera ist Direktorin des Jüdischen Museums Wien.

Wie werden wir die Erinnerung an die Shoa bewahren, wenn jene Menschen gestorben sind, die sie erlebt und erlitten haben? Das ist eine Frage, mit der wir schon heute ständig konfrontiert sind.

Wir sind geradezu verpflichtet, ihre Geschichten weiter zu erzählen, um nichts dem Vergessen anheimfallen zu lassen. Und wir wissen, dass es oft die kleinen Geschichten sind, die berühren und im Gedächtnis bleiben. Die Geschichte von Syda Schrenzel zum Beispiel.

Syda Schrenzel stammt aus einer polnisch-jüdischen Familie in Krakau. Sie wächst mit ihren Eltern und ihren zehn Geschwistern in einem bürgerlichen Haushalt auf. Sie spricht ihr Deutsch nobel - in einer Aussprache, die heute kaum mehr zu hören ist. Auf die sorglose Kindheit und Jugend folgt das Grauen.

Die Judenverfolgung beginnt. Mitten in dieser finsteren Zeit bringt Sydas Schwester Malka ein Mädchen zur Welt. Ihr Bruder Shaye übergibt das Baby einem katholischen Freund der Familie. Dieser, ein Anwalt, bringt es zu entfernten Verwandten auf dem Land. Er behauptet, es sei sein uneheliches Kind.

Malka, Syda, Schaye und die ganze große Familie wissen, dass es gefährlich wäre, sich die Adresse irgendwo aufzuschreiben. Sie vereinbaren, dass sie alle jeden Abend vor dem Schlafengehen die Adresse im Kopf wiederholen werden. So wollen sie sich einprägen, wo das Baby versteckt ist. Tatsächlich werden nach und nach Sydas Mann, ihre Eltern und Geschwister von den Nazis gefangen. Nur Syda gelingt es, falsche Papiere für sich zu bekommen. Malka, Shaye und die meisten anderen Familienmitglieder werden ermordet.

Syda bleibt allein zurück und memoriert Abend für Abend die Adresse. Es gelingt Syda, all die Jahre hindurch, bis Krakau befreit wird, ihre Identität geheim zu halten. Sofort macht sie sich auf die Suche nach jener Adresse, die sie hunderte Male memoriert hat. Sie findet das Haus, sie findet die Retter ihrer Nichte. Drei Jahre alt ist die kleine Chedva jetzt. Syda nimmt sie als ihr eigenes Kind an und reist gemeinsam mit ihr 1946 nach Palästina. Dort beginnt ein neues, ein zweites Leben. 2008 ist unsere Tante Syda gestorben, ihre Geschichte werde ich nie vergessen.

Service

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Garish
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Thomas Jarmer
Gesamttitel: WENN DIR DAS MEINE LIEBE NICHT BEWEIST - GARISH
Titel: Die Wahrheit ist, davon krieg ich den Mund nicht voll
Ausführende: Garish /Gesang
Länge: 01:10 min
Label: Schoenwetter 025

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