Gedanken für den Tag

von Christine Wiesmüller. "Nahrung für die Seele" - Mystik in der Literatur

Christine Wiesmüller ist Schriftstellerin.

Christine Wiesmüller versucht, anhand ausgewählter Werke der Weltliteratur einer Dimension jenseits des Alltäglichen nachzuspüren und meint, dass es angesichts des Zeitgeistes ein provokantes Unterfangen sei, Werke in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu rücken, die Gott als persönlichen Gott ansprechen.

Für sie selbst ist die Frage nach dem "tragenden Grund des Daseins" eine entscheidende Triebfeder ihres Schreibens, wie sie auch in ihrem Roman "Der Garten" zeigt. Karl Rahners ebenso provokanter Ausspruch "Der Christ des 21. Jahrhunderts wird ein Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein", zieht sich wie ein Leitmotiv durch diese Woche, die mit den Mystikerinnen von Helfta beginnt. Es folgen Werke von Droste Hülshoff, Le Fort, Joseph Roth und Dostojewski.

Annette von Droste Hülshoff - "Das Geistliche Jahr"

"Die ganze Nacht hab ich gefischt
Nach einer Perl' in meines Herzens Grund", beginnt ein Gedicht von Anna Elisabeth von Droste Hülshoff.

Es ist mir durchaus bewusst, dass eine Dichterin wie Droste Hülshoff dem heutigen Zeitgeist entgegen steht und ihn dennoch herausfordert. Sie wirft Fragen auf, die, so scheint mir, immer wieder einer Beantwortung bedürfen. Über sich selbst sagte sie: "So steht mein Entschluss fester als je, nie auf den Effekt zu arbeiten, keiner beliebten Manier, keinem anderen (...) als der ewig wahren Natur durch die Windungen des Menschenherzens zu folgen und unsre blasierte Zeit und ihre Zustände gänzlich mit dem Rücken anzusehen."

Dem "Das Geistliche Jahr", einem Zyklus nährender Lyrik, liegen Motive aus den Evangelien zugrunde. Sie werden für die Dichterin auch auf dem Hintergrund schwerer existentieller Erschütterungen zu einem Bekenntnis, in dem das Ringen mit Gott und die Glaubenszweifel ihren künstlerischen Ausdruck finden.
 
"Die ganze Nacht hab ich gefischt
Nach einer Perl' in meines Herzens Grund
Und nichts gefangen.
Wer hat mein Wesen so gemischt,
dass Will' gen Wille steht zu aller Stund
In meiner Brust wie Tauben gegen Schlangen?"
 
Fischen am Herzensgrund, das Motiv ist dem bekannten Evangelium vom Fischfang entnommen, in dem Petrus sagt: "Meister wir haben die ganze Nacht gefischt und nichts gefangen, auf Dein Wort aber will ich das Netz auswerfen." (...) und nach einem langen nach Erlösung suchenden Weg durch die Windungen des Menschenherzens hindurch kann auch die Dichterin in der letzten Strophe endlich sagen:
 
"Du der gesprochen: "Fürcht' dich nicht!"
So lass mich denn vertrauen auf deine Hand
Und nicht ermüden!
Ja auf dein Wort, mein Hoffnungslicht,
Will werfen ich das Netz, ach! steigt ans Land
Die Perle endlich denn, und bringt mir Frieden?"

Service

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Sendereihe

Playlist

Titel: Ansage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min

Titel: GFT 110330 Gedanken für den Tag / Christine Wiesmüller
Länge: 02:41 min

Titel: Absage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min

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