Salzburger Nachtstudio

Gelassenheit: Die Tugend des Weisen. Gestaltung: Tina Plasil

Stress, Druck, Ärger - viele Menschen leiden darunter. Wut, Trauer, Angst katapultieren sie aus der Balance. Die Menschen verlieren ihren Halt. Gelassenheit könnte dabei helfen, wieder die eigene Mitte zu finden. In der Antike wurde dafür eine eigene Denkschule gegründet, die Stoa. Diese philosophische Richtung ist auf eine kosmologische, ganzheitliche Welterfassung gerichtet, aus der sich ein in allen Naturerscheinungen und natürlichen Zusammenhängen waltendes universelles Prinzip ergibt.

Der Stoiker als Individuum erkennt seinen Platz in dieser Welt, akzeptiert in emotionaler Selbstbeherrschung sein Los und strebt mit Seelenruhe zur Weisheit. Ist dies auch noch im 21. Jahrhundert zu schaffen, in einer Welt, in der das Machbare im Vordergrund steht und es das Gegebene sooft zu verändern gilt? Der Stoiker trachtet danach nicht. Er findet in sich selbst das "gute Leben". Er bindet sich nicht an äußere Einflüsse, weiß er doch, dass sie nur schwer zu beherrschen sind. Seine Selbstgenügsamkeit und Wertschätzung des Inneren befähigt den Stoiker, auch andere Menschen zu würdigen. Diese Autonomie befreit ihn von Machtstrukturen. Es befreit ihn auch von politischen Verführern, von Ideologien und von den Gesetzen des Marktes.

Bis heute beeinflusst der Stoizismus verschiedene Denkgebäude, ist in asiatischen Kulturen und Religionen zu finden. Psychotherapie und Selbsterfahrungsseminare nehmen Anleihen bei ihm. Auch René Descartes' und John Lockes Zweiteilung von Verstand und Emotion gehen auf die Stoiker zurück und erst recht die Darstellung emotionsloser Charaktere in Literatur und Film.

Service

Wolfgang Weinkauf (Herausgeber und Übersetzer): Die Philosophie der Stoa. Ausgewählte Texte. Reclam, 2001.

Barbara Neymeyr, Jochen Schmidt und Bernhard Zimmermann (Hg.): Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Moderne. 2 Bände. Walter de Gruyter, 2008.

Andreas Urs Sommer: Die Kunst der Seelenruhe. Anleitung zum stoischen Denken. C.H. Beck, 2009.

Thomas Schirren: "Die Politik ist das Schicksal" - Philosophische Bibliotheksgespräche über das Global Warming im Jahre 50 v. Chr. In: KlimaKulturen. Soziale Wirklichkeiten im Klimawandel. Campus. 2010.

Annemarie Pieper: Gelassenheit: Die eigene Mitte finden. Psychologie Heute 08/2004.

Hans Peter Sturm: Urteilsenthaltung oder Weisheitsliebe zwischen Welterklärung und Lebenskunst. Alber Thesen. 2002.

Seneca: Seneca Für Gestresste. Insel Verlag. 1997.


InterviewpartnerInnen
Annemarie Pieper, Philosophin, Basel
Malte Hossenfelder, Philosoph, Graz
Thomas Schirren, Altertumswissenschafter, Salzburg
Barbara Neymeyr, Philosophin und Germanistin, Freiburg
Cornelia Zumbusch, Literaturwissenschafterin, Konstanz und München
Gesa Frömming, Literaturwissenschafterin, Nashville, Tennessee
Martin Treml, Kulturwissenschafter, Berlin
Giselher Guttmann, Psychologe, Wien
Herbert Pietschmann, Physiker, Wien
Wijayarajapura Seelawansa Thero, buddhistischer Mönch und Dozent an der Akademie für Buddhismus und Christentum in Wien

Sendereihe