Gedanken für den Tag

von Michael Krassnitzer. "Der Prophet aus Toronto". Zum 100. Geburtstag des Medienphilosophen Marshall McLuhan

Von ihm stammt das berühmte Zitat "The medium is the message" und er prägte bekannte Formulierungen wie "Das globale Dorf" oder die "Gutenberg-Galaxis": Der in Kanada geborene Medienphilosoph Marshall McLuhan wäre am 21. Juli 100 Jahre alt geworden. Weniger bekannt ist, dass McLuhan ein zutiefst spiritueller Mensch war und sich zeitlebens mit Fragen des Glaubens beschäftigte. Schon in jungen Jahren konvertierte der Sohn einer Methodistin zum Katholizismus. Seine in der Zeit von Internet und E-Mail nach wie vor gültigen Überlegungen, inwiefern neue Medien die Gesellschaft verändern, übertrug er auch auf das Gebiet der Religion und des Glaubens.

Diese "Gedanken für den Tag" werfen einen ungewohnten Blick auf den großen Medientheoretiker, der einerseits das Unverständnis der Kirche für die Medien beklagte, dem aber andererseits die Öffnung der Kirche in den 1960er Jahren nicht geheuer war. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Das Mikrophon hat die lateinische Messe zerstört. Marshall McLuhan war davon überzeugt, dass die neue Technologie der akustischen Verstärkung schuld war am Ende der von ihm geliebten alten Liturgie. McLuhan war ein Freund des inhaltlich und akustisch unverständlichen Gemurmels auf Latein. Auf diese Weise nämlich würde die Heilige Messe zum Ort der privaten Meditation. Der elektronisch verstärkte Gottesdienst in der Landessprache hingegen lösche die Privatheit des Kirchgängers aus.

Kein Wunder, dass katholische Würdenträger sich schwer taten mit McLuhan und seinen Gedanken zur Religion. Denn die von dem Medienphilosophen zum Ausdruck gebrachte Sehnsucht nach individueller Verinnerlichung ist eigentlich sehr unkatholisch. Verinnerlichung und Individualisierung gelten ja gemeinhin als Wesenszüge des Protestantismus. Und der wurde McLuhan in die Wiege gelegt. Selbst ein so reflektierter Mensch kann offenbar nicht ganz aus seiner Haut heraus.

Ein Jahr vor seinem Tod erlitt McLuhan einen Schlaganfall, aufgrund dessen er seine Sprache verlor. Das einzige, was der konvertierte Katholik noch sagen konnte, waren die Worte "Oh Boy". Und er konnte noch die protestantischen Kirchenlieder seiner Kindheit singen. Am Ende seines Lebens kehrt der Mensch wieder zu seinen Anfängen zurück.

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Titel: GFT 110723 Gedanken für den Tag / Michael Krassnitzer
Länge: 03:45 min

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