Da capo: Tonspuren

"Der Prozess. Kafka vor Gericht". Feature von Barbara Zeithammer

Prag, 1939. Dem Schriftsteller und Publizisten Max Brod gelingt die Flucht vor den Nazis nach Palästina. Er hat nur einen Koffer dabei; darin befinden sich die Manuskripte seines Freundes Franz Kafka, unter anderem "Der Process". Nach Kafkas Wunsch hätte er sie ungelesen vernichten sollen.

Brod lebt und arbeitet in Tel Aviv bis zu seinem Tod 1968. Seiner Mitarbeiterin Esther Hoffe schenkt er einen Teil der Kafka-Manuskripte und macht sie zur Alleinerbin seines gesamten Nachlasses. In seinem Testament spricht er vage und widersprüchlich davon, dass Esther Hoffe die Werke in einem Archiv im In- oder Ausland deponieren möge. Das tut Esther Hoffe nicht. 1988 lässt sie "Der Process" versteigern; das deutsche Literaturarchiv in Marbach erhält den Zuschlag.

Als Hoffe stirbt und ihre Töchter den gesamten Nachlass an das Marbacher Archiv verkaufen wollen, prozessiert der Staat Israel: "nationales Kulturerbe" dürfe nicht ins Ausland verkauft werden; die Werke des jüdischen Schriftstellers Brod sollen nicht im Land der Täter gelagert werden, lauten die Argumente. Die Israelische Nationalbibliothek sieht sich als Verteidigerin von Brods letztem Willen und forderte im Laufe des Verfahrens das Manuskript "Der Process" von Marbach zurück.

Seit 2009 sitzen einander in einem Gericht in Tel Aviv die Töchter Esther Hoffes, die Israelische Nationalbibliothek und das Literaturarchiv Marbach gegenüber. Worum gestritten wird, weiß niemand genau; der genaue Inhalt des Brod-Nachlasses ist nicht bekannt. Gerüchte kursieren, der Nachlass enthalte bislang unbekannte Kafka-Manuskripte. Von Brod selbst ist selten die Rede, vielmehr geht es in der Diskussion und in den Medien um Kafka, um die Frage: Wohin gehört Kafka?

"Urdeutsch" sei seine Erzählkunst, las Franz Kafka 1916 in einer Kritik der Neuen Rundschau über seine Erzählung "Die Verwandlung". Sein Freund Max Brod schrieb in einem Aufsatz über ihn: "Kafkas Werke gehören zu den jüdischsten Dokumenten unserer Zeit". Franz Kafka selbst fragte seine Verlobte Felice Bauer auf einer Postkarte 1916: "Willst du mir übrigens nicht auch sagen, was ich eigentlich bin?"

Sendereihe

Gestaltung

  • Barbara Zeithammer