Salzburger Nachtstudio

Auf Kosten anderer leben - Postkolonialismus in einer globalisierten Welt. Gestaltung: Sabrina Adlbrecht

Wie wir heute mit Zuwanderern umgehen, kann als Déjà-vu zum frühen 16. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gesehen werden. Damals standen große Teile Afrikas, Asiens, Amerikas und Ozeaniens unter europäischer Kolonialherrschaft und wurden rücksichtslos ausgebeutet.

Diese historische Zeitspanne war eine der wirkmächtigsten in der Geschichte. Bis heute sind die Folgen für den "Globalen Süden" wie auch für den "Globalen Norden", für die ehemals "Kolonisierten" ebenso wie für die einstigen "Kolonisierer" spürbar. Der gängige und scheinbar neutrale Begriff der "Nord-Süd-Beziehungen" wird häufig dazu verwendet, immer noch existierende politische, wirtschaftliche und kulturelle Dominanz- und Abhängigkeitsverhältnisse zu verschleiern. Nach wie vor sichert die von Europa ausgehende Integration ehemaliger Kolonien in ein kapitalistisches Weltwirtschaftssystem den Wohlstand einer globalen Elite.

Auch Skepsis und Widerstand von Teilen der islamischen Welt gegenüber dem Westen haben mit "kolonialem Erbe" zu tun: So befanden sich nach dem Ersten Weltkrieg etwa sieben Achtel der Muslime unter direkter oder indirekter Herrschaft der Europäer. Die heutigen Nationalstaaten der islamisch-arabischen Welt sind zum Großteil Konstrukte aus dem vorigen Jahrhundert. Nach dem offiziellen Ende der Kolonialzeit dienten die von außen aufgezwungenen Staatsapparate den Interessen der früheren Herren.

Reste kolonialistischer Ideologie prägen noch immer den Umgang mit Zuwanderern, und sie spielen auch innerhalb Europas eine Rolle. Man denke an die wirtschaftliche "Kolonialisierung" ehemaliger Oststaaten und nunmehriger EU-Mitglieder als "Billiglohnländer". Mit den Wirkungen und Hinterlassenschaften des Kolonialismus in seinen vielen Facetten beschäftigen sich die sogenannten "Postkolonialen Studien". Sie haben sich mittlerweile als transdisziplinäres Forschungsfeld etabliert.

Interviewpartner/innen:
Reinhart Kößler, Arnold-Bergstraesser-Institut für kulturwissenschaftliche Forschung, Freiburg
Michael Geyer, Institut für Geschichte der Universität von Chicago
Kunibert Raffer, Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien,
Gerald Hödl, Mitarbeiter am Projekt Internationale Entwicklung und Lektor am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien
Andreas Eckert, Institut für Asien- und Afrikawissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin
Andrea Komlosy, Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien
Vijay Prashad, Professor für Internationale Studien am US-Trinity College in Hartford/Connecticut

Service

Andreas Eckert: Kolonialismus. Fischer-Verlag, 2006.

Reinhart Kößler, Henning Melber (Hg.): Globale Solidarität? Eine Streitschrift. Brandes und Apsel Verlag, Frankfurt am Main 2002.

Jürgen Osterhammel: Kolonialismus: Geschichte, Formen, Folgen. Verlag Beck, München 1995.

Birgit Englert, Ingeborg Grau, Andrea Komlosy (Hg.): Nord-Süd-Beziehungen. Kolonialismen und Ansätze zu ihrer Überwindung. Wien, Mandelbaum, 2006.

Vijay Prashad, Howard Zinn (Hg.): The Darker Nations; A People's History of the Third World. The New Press, New York, 2007.

María do Mar Castro Varela, Nikita Dhawan: Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. transcript-Verlag 2005.

Sendereihe