Gedanken für den Tag

von Manfred Scheuer. "Einbrechen in die Felder der Gewohnheit"

Der Advent kann eine Aufbruchszeit sein, eine Einladung, der Hoffnung auf der Spur zu bleiben und mit der Verheißung Gottes zu rechnen, ist der Theologe und katholische Bischof Manfred Scheuer überzeugt.

Wem dies gelingt, der oder die wird hellhörig für das, was andere wirklich zu sagen haben, ein Mensch, der aufnahmefähig und bereit ist, selbst mitten im Lärm die leisen Botschaften mitschwingen zu hören. Solche hörende Menschen werden dann vielleicht auch die Botschaften wahrnehmen, die die biblischen Adventtexte enthalten, sie werden sich anregen und infrage stellen lassen. Und vielleicht werden sie aufbrechen aus dem allzu Gewohnten, dem allzu Eingefahrenen.

"Wenn die Propheten einbrächen durch Türen der Nacht, mit ihren Worten Wunden reißend, in die Felder der Gewohnheit, Ohr der Menschheit würdest du hören?", so drückt der Bischof mit der Dichterin Nelly Sachs die radikale Anfrage aus.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Verachtung und Ansehen

"Heute sind Sie aber nicht gut drauf!" So sagten mir Kinder in der Schule vor einigen Jahren. In den Augen erkennt man die Müdigkeit, die Wachheit, Gesundheit und Krankheit oder auch den Alkoholkonsum. Im Antlitz verleiblichen sich Grundhaltungen und Grundeinstellungen zum Leben wie Traurigkeit, Bitterkeit, Verhärmtheit oder auch Zuversicht, Fröhlichkeit und Gelassenheit.

Im Gesicht sprechen sich auch Beziehungen aus. Man spürt, wie wohltuend und heilend liebende Aufmerksamkeit ist, wie wichtig es ist, wahrgenommen zu werden und ein "Ansehen" zu haben. Es kann aber auch verletzend sein, wenn jemand, körperlich zwar da, mit den Gedanken aber ganz wo anders ist. Blicke können flehentlich sagen: Ich brauche dich, bitte lass mich nicht im Stich, lass mich nicht allein! Ein Blick kann unbedingt in Anspruch nehmen: Du musst mir helfen! Oder: Du darfst mich nicht töten! Oder: Schau mir in die Augen, d.h. sag mir die Wahrheit! Mit Blicken und mit der Gestik des Gesichtes können Kälte, Gleichgültigkeit und Verachtung signalisiert werden. Ohne Worte sagt da einer: Du bist für mich überflüssig, reiner Abfall und Müll, den es zu verwerten und dann zu entsorgen gilt, du bist eine Null. Wenn Blicke töten könnten, heißt es nicht umsonst in der Alltagssprache.

Und Blicke können Ansehen geben und lieben. Nikolaus Cusanus, Bischof in Tirol im 15. Jahrhundert schreibt: "Und weil das Auge dort ist, wo die Liebe weilt, erfahre ich, dass Du mich liebst. Dein Sehen, Herr, ist Lieben. Soweit Du mit mir bist, soweit bin ich. Dein Sehen ist lebendig Machen. Dein Sehen bedeutet Wirken." So Nikolaus Cusanus. In dreieinhalb Wochen ist Weihnachten. Für mich ein Fest, weil ich glaube, dass Gottes Blick in Jesus Ansehen und Leben vermittelt.

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Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 111130 Gedanken für den Tag / Manfred Scheuer
Länge: 03:47 min

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