Gedanken für den Tag

Von Walter Methlagl. "Die Überwindung der Ich-Einsamkeit" - Gedanken zum 130. Geburtstag des Philosophen Ferdinand Ebner. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Das "Ich" jedes Menschen bilde auf dieser Welt keine absolute selbständige Instanz des Daseins, ist der Grundgedanke, den der österreichische Philosoph und Volkschullehrer Ferdinand Ebner in seinem 1921 erschienenen Hauptwerk "Das Wort und die geistigen Realitäten" vertritt. Vielmehr verdanke sich dieses "Ich" von Anfang an dem Anspruch eines leben-spendenden, liebenden "Du".

Leider gerate dieses "Dasein-im-Verhältnis" in Zeiten der sich ausbreitenden psychischen Selbstverspiegelung des Ich, vieler gecoachter Ichs, immer wieder und zunehmend außer Sicht, meint der Philosoph und Germanist Walter Methlagl, der sich intensiv mit der Philosophie Ebners beschäftigt hat. Er wirft in den "Gedanken für den Tag" die Frage auf: Worin sollte sich dieser auch christlich-religiös zu verstehende Anspruch unmittelbarer offenbaren als im mitmenschlichen Entgegenkommen, in dem, was uns aus den uns begegnenden einzelnen Menschen anschaut und anspricht? Im sensiblen Hören und Schauen darauf und im aktiven Reagieren ereigne sich die Befreiung aus der individuellen und aus der kollektiven Ich-Einsamkeit unserer Tage.

Die Gefahr, dass Naturwissenschaft zur Ideologie verkommt, hat der österreichische Philosoph Ferdinand Ebner bereits vor 100 Jahren in seinem kultur- und gesellschaftskritischen Modell vom "Traum vom Geist" angesprochen. Lange Zeit setzte Ebner sich mit den Naturwissenschaften in der Nachfolge der Darwin'schen Evolutionstheorie auseinander: In seiner ersten Schrift: "Ethik und Leben" versuchte er, das menschliche Individuum von den Zwängen des "modernen" Entwicklungsdenkens freizuhalten. Auf eine Veröffentlichung dieser Schrift hat Ebner damals verzichtet; sie hat aber an Aktualität heute eher gewonnen.

In seinem berühmten Buch "Der Gotteswahn" behauptet der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins, natürliche Auslese und andere wissenschaftliche Theorien seien zur Erklärung des Ursprungs des Kosmos und der lebendigen Welt der "Gott-Hypothese" überlegen. Wissenschaftliche Ergebnisse ließen nicht auf einen Designer des Universums schließen. Die Einsicht eines gesunden, unabhängigen Verstandes gebe mehr Trost und Inspiration als Religion. So der Evolutionsbiologe Richard Dawkins.

Selbst wenn Ferdinand Ebner von Gen-Sequenzvergleichen und anderen molekularbiologischen Forschungen, die heute den Evolutionismus attraktiv machen, noch nichts wissen konnte, wäre dies alles für ihn keine Neuigkeit gewesen. In seinem Hauptwerk heißt es:

"Der Evolutionismus unserer Zeit, zwar sehr naturwissenschaftlich sich gebärdend, aber am Ende doch wieder metaphysisch ausschweifend, schwelgt im Gedanken an das ewige Werden und Vergehen alles Seienden - und verrät dadurch, dass es mit dem Entwicklungsoptimismus doch gar nicht so weit her sein könne. Die 'Entwicklung' selbst, wir haben es erlebt, führt ihn ad absurdum."

Das Wort "Gott-Hypothese" lässt in meinen Augen erkennen, wie grundsätzlich Dawkins das Verhältnis des Menschen zu Gott verkennt und im icheinsamen "Traum vom Geiste" verbleibt. Wie Ebner sagt, lässt sich über Gott in der dritten Person nicht reden, sondern nur zu ihm in der zweiten.

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Titel: GFT 120201 Gedanken für den Tag / Walter Methlagl
Länge: 03:49 min

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