Radiokolleg - Armut macht krank

Von Wohlstand und Wohlsein (2). Gestaltung: Lisa Mayr

Viel Bewegung, gesunde Ernährung, nicht rauchen, Stress vermeiden: Die Empfehlungen für mehr Gesundheit sind hinlänglich bekannt - aus Sicht der Sozialmedizin aber relativ wirkungslos. Denn sie beziehen sich ausschließlich auf den Lebensstil eines Menschen und blenden dessen sozialen Status aus. Dabei beeinflusst dieser Status Gesundheit und Krankheit weit mehr als einzelne Lebensstilfaktoren. Hohes Einkommen, soziale Absicherung, Bildung und die Möglichkeiten eines Menschen, seine individuellen Bedürfnisse durchzusetzen, sind erwiesenermaßen die wirksamsten Gesundheitsfaktoren.

Neben Sozialmedizinern beschäftigen sich heute Gesundheitssoziologen und Armutsforscher mit der Frage, wie Prekarität, Bildungsferne und soziale Ohnmacht Menschen krank machen. Sie wissen längst um den Zusammenhang von Wohlstand und Wohlsein, als medizinische "Querschnittsmaterie" kann die soziale Frage aber noch nicht gelten. Dabei sind die Zahlen eindeutig: Menschen unterhalb der Armutsgrenze weisen in Österreich einen dreimal schlechteren Gesundheitszustand auf als Bezieher hoher Einkommen.

Wer arm ist, ist doppelt so oft krank wie Personen mit mittlerem Einkommen. Angehörige der untersten sozialen Schicht haben die geringste Lebenserwartung. Burn-out ist keine typische Krankheit "gestresster Manager", sondern betrifft vor allem Menschen in fordernden Pflegeberufen, Alleinerzieherinnen und Arme. Fettreich und ungesund ernähren sich heute nicht mehr die oberen Schichten, sondern sozial Schwache mit wenig Bildung. Und man weiß heute, dass jene Länder die besten Gesundheitsdaten aufweisen, in denen die soziale Schere am wenigsten weit aufgeht. Denn ein hohes Maß an sozialer Gerechtigkeit hält gesund - auch die Besserverdiener in diesen Systemen. Der Grund dafür ist simpel: Die Angst vor einem möglichen sozialen Abstieg und dem Fall ins Prekariat erzeugt massiven psychischen Stress und macht auf Dauer ebenfalls krank. Das Radiokolleg berichtet über die sozialen Ursachen von Krankheit.

Service

Kate Pickett, Richard Wilkinson: Gleichheit ist Glück: Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind. Tolkemitt bei Zweitausendeins 2010
Jahoda, Zeisel, Lazarsfeld: Die Arbeitslosen von Marienthal: Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit, Suhrkamp 1975
Ulrich Bröckling: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
Michaela Moser, Martin Schenk: Es reicht! Für alle! Wege aus der Armut. Deuticke 2010

Artikel von Meinhard [Creydt ("Selbstverantwortung als Ideologie")
Armutskonferenz

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