Gedanken für den Tag

von Michael Chalupka. "Die Welt ist nicht die Welt nur eines Menschen". Ein Jahr nach Fukushima. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Vor einem Jahr, kurz nach dem Atomunfall in Fukushima, hat Michael Chalupka, der Direktor der evangelischen Hilfsorganisation Diakonie, Japan besucht. In den "Gedanken für den Tag" erzählt er von seinen persönlichen Eindrücken und Erfahrungen, vom Verlust der Unbeschwertheit, von kleinen Zeichen dafür, dass das Leben weitergeht, von Partnerschaften über Länder und Kontinente hinweg, die sich gerade in Krisenzeiten als tragfähig erweisen und von der Einsicht, die ein japanisches Sprichwort beschreibt: "Die Welt ist nicht die Welt nur eines Menschen".

Obon

Das Erdbeben und der Tsunami vom März 2011 sind in Japan auch Monate danach auf Schritt und Tritt gegenwärtig. So auch im Udon Laden in Tokio, der für seine handgemachten Nudeln bekannt ist. Dort hängen an der Wand Bilder, die die gesamte Belegschaft beim Hilfseinsatz zeigen. Überall wird an die Opfer erinnert.

Das Gedenken der Ahnen ist immer präsent. Im hochtechnisierten Japan fällt ein sehr alltäglicher selbstverständlicher Umgang mit Religiosität auf. Gut besuchte Shintoschreine in Einkaufspassagen sind keine Seltenheit.

Vergangenen August wurde das Obonfest, das japanische "Allerseelen", das erste Mal nach der Katastrophe begangen. Gräber werden besucht und Kerzen entzündet. Was dem Besucher auffällt, ist eine gelassene ernste aber zugleich heitere Stimmung. Das Obonfest des Totengedenkens ist ein respektvolles und zugleich fröhliches Fest. Den Toten bringt man Früchte und Sake Reiswein mit, damit sie sich stärken und mit der Familie feiern können. In den Gärten, Parkanlagen und auf den Teichen werden des Nachts tausende Laternen entzündet, die zu Symbolen arrangiert werden. Da leuchten buddhistische Weisheiten ebenso wie simple Herzen und Blumen. Am Ende des Festes werden die Seelen der Ahnen symbolisch als schwimmende Laternen einem Fluss übergeben, damit sie wieder ins Reich der Toten zurückkehren können.

Aufgrund der Schönheit des Festes haben immer viele Touristen daran teilgenommen. Das ist im Jahr der Katastrophe anders, die Touristen sind ausgeblieben. Als einer der wenigen Ausländer wurde ich immer wieder freundlich angesprochen. Ich solle doch zu Hause sagen, dass Japan ein schönes und sicheres Land sei. Nicht nur das. Japan ist auch ein Land, das sich durch seinen respektvollen, aber gelassenen, ja versöhnten Umgang mit dem Tod auszeichnet.

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Playlist

Titel: GFT 120315 Gedanken für den Tag / Michael Chalupka
Länge: 03:49 min

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