Zeit-Ton

2. April 2012, 23:03

Als Komponist scheint es ihm sinnvoller, musikalisch eventuell Neues nicht im Material zu vermuten, sondern primär im imaginativ kompositorischen Prozess. Dieser kann, wie bei Erich Urbanner, der im Vorjahr ohne viel Aufhebens sein 75. Lebensjahr vollendet hat, durchaus wandlungsfähig sein. So hat er serielle Techniken zwar genau studiert, sie in sein Schaffen aber allenfalls marginal einfließen lassen. Um derlei Einengungen ad acta zu legen, war ihm die Begegnung mit John Cage wichtig. Indes führte auch sie Erich Urbanner nicht in die Arme des bloßen Zufalls und der mehrdeutigen grafischen Notationssymbole, sondern - eine Zeit lang - ins kontrollierbare Terrain der gelenkten Improvisation.

Reich ausgestattet mit Erfahrung, erwarb er kundigen Einblick in die ästhetischen Wandlungen der Musik unserer Zeit. Man kann sich davon überzeugen: bei seinen Werkanalysen, seinen diskret abwägenden Meinungen über zeitgenössische wie bereits verstorbene Komponist/innen. Einst hatte er gelernt, was Disziplin bedeutet. Im Untergrund blieb sie ihm als Fundament zu Eigen. Auf diesem jedoch bewegt er sich in einem offenen Gebäude der Toleranz, die ihm sein - zu früh verstorbener - Lehrer Karl Schiske vorlebte, in den ersten Nachkriegsjahren für eine Reihe junger Komponist/innen die nachwirkend prägende Persönlichkeit.

Bis heute arrangiert Erich Urbanner, gemeinsam mit Karl Schiskes Witwe, Hauskonzerte in Orth an der Donau. Im Unterricht flexibel zu sein, blieb Erich Urbanners erstes Gebot. Denn eher selten decken sich die ideellen Vorstellungen eines Lehrers mit jenen der Schüler/innen, die zu sich selbst finden wollen. Bei Erich Urbanner aber blieben sie meist quasi bis zum Flügge werden; heute, als Beweis der Toleranz des Lehrers, eine stilistisch bunte Schar.

Erich Urbanner, wohl allzu bescheiden, was ihn selbst betrifft, kann ein Oeuvre von bald hundert Werken jeglicher Gattung vorweisen, deren etliche öfters zu hören sein sollten. Zumindest in kleinen Ausschnitten wird das hiermit ermöglicht.

Sendereihe

• Sound Art: Zeit-Ton