Gedanken für den Tag

Von Christine Hubka. "Der Geist weht, wo er will" - Gedanken zum Pfingstfest. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Vor dem Pfingstfest, das in christlichen Kirchen am folgenden Sonntag gefeiert wird, macht sich die evangelische Theologin und Autorin Christine Hubka Gedanken zum "Heiligen Geist". Dieser weht bekanntlich "wo er will" (Joh. 3,8). Und dort, wo er weht, gibt es überraschende Situationen. Neue, unerwartete Erfahrungen. Undenkbares ereignet sich. Auch im Alltag. Es gibt keinen Ort, wo der Geist nicht hinwehen kann, ist Christine Hubka überzeugt.

Kleine Alltagsgeschichten, die an ganz unterschiedlichen Orten spielen, erzählen von diesem Wehen des Geistes.

Moritz und Jojo streiten. Bevor es in der Bauecke handgreiflich wird, schreitet die Kindergärtnerin ein. Beim anschließenden Gespräch stellt sich heraus, dass Moritz in der Hitze des Spieles Jojo gestoßen hat. Dieser ist deshalb gestolpert und hat dabei seinen mühsam errichteten Turm umgeworfen. Die Kindergärtnerin erklärt: "Du, Jojo, Moritz hat das nicht mit Absicht gemacht." Und sie fordert Moritz auf: "Entschuldige dich bei Jojo!"
Von klein auf lernen wir, uns zu entschuldigen. Auf der Großbaustelle beim Wiener Ostbahnhof steht in riesigen Lettern: Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten, die durch den Bau entstehen.
Die Bibel weiß, ich kann mich nicht selbst ent-schuldigen. Ich kann mir nur die Schuld abnehmen lassen. Viel stimmiger klingt es, wenn jemand zu mir sagt: "Es tut mir leid! Entschuldige, bitte." Als wenn es heißt: "Ich entschuldige mich!" Denn jetzt habe ich die Wahl, ja oder nein zu sagen.
Vergeben ist gar nicht einfach. Vergeben heißt ja nicht: Red ma nimmer drüber. Vergeben bedeutet auch nicht: Tun wir so, als wäre nichts geschehen. Vergeben lässt auch nicht Gras wachsen über eine Sache. Vergeben ist schwere Arbeit für beide. Für das Opfer und für den Täter, die Täterin. Denn sie müssen sich miteinander auseinandersetzen. Sie müssen einander ansehen, einander wahrnehmen.
Wo vergeben wird, muss zuerst Beziehung sein. Und dazu - so meint die Bibel - braucht es den Geist Gottes.
Jesus gibt denen, die zu ihm gehören, den Heiligen Geist und sagt: Welchen ihr die Schuld erlasst, denen ist sie erlassen. Welchen ihr sie behaltet, denen ist sie behalten. Es mag irritieren, dass Jesus auch davon spricht, dass die Jünger die Vergebung nicht aussprechen. Dann - so meine ich - sind sie einfach nicht zuständig. Dann muss der Täter, die Täterin an die richtige Stelle gewiesen werden. Nicht um sich bei seinem Opfer zu entschuldigen. Sondern um zu sagen: "Es tut mir leid. Bitte entschuldige."

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Titel: GFT 120525 Gedanken für den Tag / Christine Hubka
Länge: 03:50 min

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