Gedanken für den Tag

Von David Schalko. "Aussparungen". Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Dort wo ich heute bin, war ich noch nie. Nein, dort wo ich heute bin, bin ich eigentlich immer.

Ich frage mich, mit wie vielen Gegenständen in meinem Haushalt könnte ich einen Mord begehen? Gut, allein in der Küche wären es 50. Die Tuchent im Schlafzimmer. Die Matratze. Der Blumentopf. Die Stühle. Mit jedem einzelnen Buch könnte ich Dutzende erschlagen. Mit den Kuscheltieren der Kinder könnte ich jemand Älteren ersticken. Aus dem Fenster könnte ich den einen oder anderen werfen. Aber würde das gelten? Die Fenster sind eigentlich Sache der Hausverwaltung. So wie die Therme. Und alles, was im Inneren der Mauern so anfällt. Die Nagelfeilen und Scheren würden sie mir sogar am Flughafen abnehmen. Und selbst die spitzen Schuhe, also bei höchster Anstrengung, gäben gute Waffen ab.

Ich habe nichts zu befürchten. Bin gewappnet. Ich lebe in einem Arsenal. Trotzdem käme es ungelegen, wenn ein Krieg hereinbreche. Sie sagen zwar, dass er hin und wieder notwendig wäre. Aber wie man den DVD-Player repariert oder wie man im Fall des Falles ein Messer schmiedet, ist mir völlig rätselhaft. Die einfachsten Dinge der Zivilisation könnte ich nicht wiederherstellen. Letztendlich bin ich ein Barbar. Gewaltbereit und völlig hilflos. Ich weiß doch nicht einmal, warum die Schallplatten manchmal große und kleine Löcher haben. Aber ich kenne Google. Und ich kenne Facebook. Ich würde also bestimmt jemanden finden, den ich mit meinem Turnschuh dazu zwingen könnte, mir den Kühlschrank zu reparieren. Ich bin gerüstet, möge kommen, was wolle.

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 120914 Gedanken für den Tag / David Schalko
Länge: 03:49 min

weiteren Inhalt einblenden