Zwischenruf

von Pfarrer Rainer Gottas (Klagenfurt)

Mit Beginn der vergangenen Woche sind auch in den westlichen und südlichen Bundesländern die großen Ferien zu Ende gegangen. Die Anspannung rund um die Nachprüfungen ist vorbei und ein neues Schuljahr beginnt. Und wie jedes Jahr begegnet uns eine Flut von Schulthemen: rückläufige Schülerzahlen bei gleichzeitigem Lehrermangel; die Grundsatzfrage "Sitzenbleiben - ja oder nein?"; Experten bringen sich in der Diskussion um die Zukunft der Bildung in Stellung und ihre neuen Bücher auf den Markt; Eltern und Kinder erproben den sicheren Schulweg und verhandeln den Belag des Jausenbrotes.

Nach der neun Wochen dauernden großen Pause sind die Kinder im Alltagsbild wieder in besonderer Weise präsent: Sie stehen in der Früh in Rudeln an den Bushaltestellen. Sie trödeln, gehen oder rennen mal auf direktem Weg, mal auf Umwegen in Richtung Schule und tragen dabei ihre Lasten. Die bunten Schultaschen und -rucksäcke sind prall gefüllt. Schwer tragen sie an Stiften, Heften und Büchern, an gebündeltem Wissen - und oft sind es mehr als die empfohlenen 10 - 12 Prozent des eigenen Körpergewichts.

Viele Kinder freuen sich auf ein Wiedersehen mit den Schulkolleginnen und -kollegen, gleichzeitig liegen manchen Kindern noch ganz andere Dinge schwer auf den Schultern: Da ist das Gefühl, immer auf dem Prüfstand zu stehen, und die Angst zu versagen und dem stetigen Druck nicht standzuhalten. Nur bei wenigen Kindern geht es nach der Volksschule ganz ohne Nachhilfe. Dazu kommt die für viele bittere Erfahrung einer schulischen Leistungslogik, wo vornehmlich bewertet wird, was man nicht kann.

Natürlich - die freie Zeit der Ferien ist vorbei und die Schule ist kein Ponyhof. Und doch wäre es schön, wenn die Schule ein Ort ist, wo man gern hingeht, wo der ursprüngliche Entdeckergeist und die Neugier der Kinder gefördert und gestillt wird und Lernen Freude macht.

Nach meiner Erfahrung als Vater und Lehrer braucht es dazu zwei Rahmenbedingungen, für die die Erwachsenen sorgen müssen: Zunächst braucht es einmal ein positives Bild von den Kindern.

Der Artikel "Generation mutlos" in einer Tageszeitung im Sommer gibt wohl zutreffend die öffentlich vorherrschende Meinung über angeblich angepasste, unkritische, rücksichtslose und computersüchtige Kinder und Jugendliche wieder. Aber diese negative Sicht, ja Abwertung der heranwachsenden Generation ist fatal, haben sich die Kinder die Welt, so wie sie heute ist, ja nicht selbst gewünscht oder gar gemacht - die haben wir Erwachsenen gestaltet.

Manchen scheint nicht sicher, ob unsere Währung morgen noch gilt, Familien zerbrechen, bei Alleinerziehenden und Mehrkindfamilien wächst die Armut, und dennoch bleiben Konsum und Erfolg die Devise. Unter diesen Bedingungen, wo es wenig private und gesellschaftliche Verlässlichkeit gibt, ist es gar nicht einfach, sich vertrauensvoll zu verwurzeln. Der Großteil unserer Kinder und Jugendlichen meistert sein Leben dafür großartig.

Dazu kommt: Kinder werden häufig das, was wir in ihnen sehen. Sehen wir doch ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten und unterstützen sie in ihrer Lebensfreude. Man hört oft: "Die Kinder sind unsere Zukunft.", vergisst dabei aber manchmal: Wir Erwachsenen sind ihre verantwortliche Gegenwart.

Neben dem Bild, das wir uns von unseren Kindern machen, sind wir auch verantwortlich für die Bedingungen des Lernens. Die wichtigste Bedingung dafür, dass Lernen gelingt und Schule Freude macht, ist die Qualität der persönlichen Beziehung zwischen Schülern und Schülerinnen und Lehrenden. Wenn Kinder und Jugendliche in die Schule kommen, haben sie oft einmal das Gefühl: Ich werde nur akzeptiert, wenn ich brav und angepasst bin. Wenn sie aber von authentischen Lehrerpersönlichkeiten wahrgenommen, respektiert und ernst genommen werden, dann halten sie sich von sich aus leichter an Regeln und lernen sogar für sie unsinnig erscheinenden Stoff.

Nur wenn ihre Umgebung sie so respektiert, wie sie sind, können sich Kinder ihre ursprüngliche Offenheit für Neues und ihren spielerischen und kreativen Umgang mit den Dingen behalten und werden auch ausdrücken, was sie fühlen und wirklich meinen. Nur wer sich gut fühlt, lernt auch gut und kann sein Potential entfalten.

In diesem Sinn könnte die Schule eine Lernwerkstatt für ein gelingendes Leben sein, wo wie ganz von selbst die Basis für Gesundheit und sozialen Zusammenhalt entsteht - und das täte allen gut.

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