Zwischenruf

von Gisela Ebmer (Wien)

Im biblischen Buch der Sprüche ist in Kapitel 11 zu lesen: "Wer Korn zurückhält, dem fluchen die Leute; aber Segen kommt über den, der es verkauft."

Da gibt es im Lukasevangelium die Geschichte von dem reichen Kornbauern. Er hat in einem Jahr eine besonders gute Ernte. Er freut sich darüber: Ich reiße meine Scheunen ab und baue neue. Ich kann dann dort alles lagern und es geht mir gut bis ans Lebensende. Ich brauche nie mehr was arbeiten und kann mein Leben genießen. Aber er stirbt noch in derselben Nacht. Und Gott fragt ihn: Wem gehört nun dein Besitz? Scheinbar gibt es keine Familie, keine Nachbarn und Freunde, mit denen er seinen großen Gewinn feiern und teilen konnte. Ein großes Gastmahl wäre damals schon angebracht gewesen. Scheinbar hatte er auch die Armen nicht im Blick. Scheinbar wusste er nichts von Steuern oder anderen Abgaben. Sein eigenes Wohlergehen war ihm wichtig. Essen und Trinken nach Herzenslust und fröhlich sein. Versorgt sein für viele Jahre. Vielleicht hat er sich gedacht: "Es kommt überhaupt nicht in Frage, ehrlich erarbeitetes Geld den Dieben und Räubern zu überlassen oder jenen Kräften, die einen sozialen Ausgleich anstreben." Vielleicht hat er auch an Menschen gedacht, denen es nicht so gut geht, die Tagelöhner sind, keinen regelmäßigen Arbeitsplatz haben. Und hat sich gedacht: "Naja, sie sind selber schuld und eigentlich sowieso Schmarotzer: Sie verdienen so wenig, dass sie nicht einmal Steuern zahlen. Sie fallen der Allgemeinheit zur Last. Mich betrifft das jedenfalls nicht. Ich bin ehrlich und tüchtig." Beides übrigens Aussagen, die in letzter Zeit von Politikern im In- und Ausland zu hören waren.

Der biblische Bauer hat das Korn für sich behalten. Dadurch hat er bewirkt, dass die Nahrung im Land knapp geworden ist. Und das hat wiederum die Kornpreise in die Höhe schnalzen lassen. Der Reichtum des Bauern hätte sich in kurzer Zeit rasant vermehrt ohne dass er überhaupt etwas dazu tun hätte müssen außer Scheunen zur Verfügung stellen. Er wollte sich auf die faule Haut legen, sein Geld oder sein Korn hätte für ihn arbeiten sollen. Er wollte sein Leben nun wirklich voll genießen.

Menschen sind verhungert, weil die Reichen ihr Korn zurückbehalten haben. Weil sie ihr Korn haben arbeiten lassen, ihr Geld. Der Wert ist gestiegen und sie sind reicher geworden. Andere hatten nichts zu essen. Sie haben gearbeitet, mühsam mit schlechtem Saatgut ihre Ernte eingebracht, oder als Tagelöhner auf den Äckern der Reichen ohne Versicherung einen geringen Lohn erhalten, jeweils für einen Tag. Alles zum Mehrwert der Reichen.
Wer Korn zurückhält, dem fluchen die Leute. Die biblische Botschaft zum Thema Steuern ist ganz eindeutig: Das, was du zum Leben brauchst, gehört dir. Ganz klar. Du hast ein Recht darauf. Deine Wohnung, deine Kleidung, deine Nahrung, den Lebensunterhalt für deine Kinder und für deine alten Eltern, das darf dir niemand nehmen. Du hast auf alle Fälle Anspruch darauf, auch wenn du gerade nichts arbeiten kannst und nichts verdienst. Dein Leben ist für Gott wertvoll.

Aber: All das, was du nicht zum Überleben brauchst, all das, was du vielleicht nicht einmal mit eigener Hand erarbeitet hast, wo du angeblich dein Geld arbeiten lässt, das ist letztlich Raub an den anderen Menschen. Geld arbeitet nicht. Die Zinsen oder den Mehrwert deines Geldes, das müssen andere Menschen für dich hart erarbeiten. Die Bibel verbietet das Einnehmen von Zinsen. Menschen verhungern, während du dein Geld hortest oder vermehren lässt.

Steuern kann auch der Staat. Steuern, was mit unserem Geld geschieht und wie wir Menschen in Österreich leben. Wir Reichen und wir Armen. Wir, die wir gute Chancen hatten, weil unsere Eltern die Möglichkeit gehabt haben, auf uns zu schauen. Und andere, die von Geburt an wenige Chancen hatten. Der Staat kann das Wohlergehen von uns Bürgern und Bürgerinnen steuern. Er steuert mit der Entscheidung, welche Steuern es bei uns gibt. Und wen die Steuern heute betreffen: Menschen, die nicht viel mehr als ihre Arbeitskraft zur Verfügung haben? Oder Menschen, die mehr haben als sie zum Leben brauchen. Jene, die das Geld zurückbehalten und arbeiten lassen, so wie der reiche Kornbauer in der Bibel?

Die biblische Botschaft dazu ist klar: "Wer Korn zurückhält, dem fluchen die Leute; aber Segen kommt über den, der es verkauft."

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