Diagonal - Radio für Zeitgenoss/innen

20. Oktober 2012, 17:05

Internationales Aufsehen erregte er 2001 mit seinem semidokumentarischen Film "Hundstage", eine beunruhigende Erkundung zwischenmenschlicher Monstrositäten in einer österreichischen Vorortesiedlung: Der Schweiß rinnt, das Lachen bleibt dem Publikum im Hals stecken. Zuletzt wurde Ulrich Seidl in Cannes für seinen Film "Paradies: Liebe" akklamiert. Da porträtierte er europäische Frauen auf dem Holzweg der Liebesillusionen, die sexuelle Eskapaden mit kenianischen Beachboys gegen harte Euros tauschen. In Venedig erhielt er 2012 für "Paradies: Glaube", den zweiten Teil seiner Trilogie, den Großen Preis der Jury. Seidl gilt als Extremfilmer, ein gnadenloser Seismograf menschlicher Einsamkeit, zu dessen Markenzeichen die Verschränkung von Spiel- und Dokumentarfilmformat gehört. In der Branche wird er gleichermaßen verehrt wie gehasst. Seine Arbeiten stehen für Kompromisslosigkeit in bester österreichisch-katholischer Tradition und werden mit Adjektiven wie "beklemmend, schamlos, schonungslos" identifiziert. Kritiker haben ihn der Manipulation seiner Akteur/innen bezichtigt, Laienschaupieler/innen reißen sich darum, mit ihm zu drehen. Für sein aktuelles Filmprojekt "Im Keller" steigt er einmal mehr Abgründe hinab, um die Fettflecken auf der menschlichen Seele auszumachen.

Service

Stefan Grissemann, "Sündenfall - Die Grenzüberschreitungen des Filmemachers Ulrich Seidl", erscheint im November 2012 im Sonderzahl Verlag in 2., stark erweiterter Auflage

In der aktuellen Ausgabe der Filmzeitschrift kolik.film, Heft 18/Oktober 2012, erscheint ein ausführliches Interview mit Seidls Kameramann Wolfgang Thaler.

Österreich-Premiere der ersten beiden Teile der Paradies-Trilogie: "Paradies: Liebe" - 30. November 2012 und "Paradies: Glaube" - 11. Jänner 2013

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