Gedanken für den Tag

von Cornelius Hell. "Einen Augenblick Luft" - Zum 150. Geburtstag von Gerhart Hauptmann. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Entschuldige, Goethe,
ich nenne nicht mehr deine Historie ein Wunder,
sondern Plunder.
Die Welt ist zu blutig und zu dumm:
wir kommen um diesen Punkt nicht herum.

Diese Verse des fünfundachtzigjährigen Gerhart Hauptmann erstaunen - war er doch lebenslang ein Goethe-Verehrer, der seinem Vorbild immer ähnlicher wurde. Doch als er zwischen 1. April und 15. Mai 1945, am Ende des Zweiten Weltkriegs, seine letzten literarischen Texte zu Papier brachte, war ihm nicht nur Goethe problematisch geworden, sondern die Literatur überhaupt. Von Betäubung, Vergessen und Verstummen ist jetzt die Rede. Erstaunlich bei einem, der so immens viel geschrieben hat - große Literatur, aber auch viele zu Recht vergessene Texte - und dem manchmal ein ganzes Drama in wenigen Tagen aus der Feder floss. Aber dem Anblick des Schreckens war seine Literatur nicht gewachsen.
Mit dem Ende des Krieges war auch Gerhart Hauptmanns Lebenskraft am Verlöschen. Sein Schlesien, wo er sich in eine große Villa zurückgezogen hatte, war nun polnisch geworden, die Deutschen wurden vertrieben. Den Nobelpreisträger wollte man freilich in einem Sonderzug ausreisen lassen. Doch der konnte dann nur mehr den Sarg mit Hauptmanns Leiche auf die Ostseeinsel Hiddensee transportieren - einem Lieblingsort Hauptmanns, wo ihm schon 1919 eine Mondnacht am Meer und das Tragen seiner Franziskanerkutte eine intensive Erfahrung ermöglicht hatte; er selbst nannte sie "Seelenklarheit und Dichtdenkkraft".

Bei der Trauerfeier im Hamburger Rathaus sprach sein ältester Sohn, der Maler Ivo Hauptmann, über den Vater: "Er liegt, seinem Wunsche entsprechend, in einem Fichtenbretter-Sarg, bekleidet mit der Mönchskutte, die ihm vor 40 Jahren in Soana ein Franziskaner schenkte. Er ließ sie sich vor seinem Tode oft reichen, um sich mit ihr vertraut zu machen. - Heimaterde, ein kleines Neues Testament, von Kind auf in seinem Besitz, seine Dichtung "Der große Traum" und der Lobgesang des heiligen Franz von Assisi liegen im Sarg bei ihm."

Service

Buch, Peter Sprengel, "Gerhart Hauptmann. Bürgerlichkeit und großer Traum. Eine Biografie", Verlag C. H. Beck
Buch, Hans-Egon Hess (Hg.), "Gerhart Hauptmann: Sämtliche Werke. Dentenar-Ausgabe zum 100. Geburtstag des Dichters", Band V: Romane, "Der Narr in Christo Emanuel Quint", Proyläen Verlag
Buch, Hans Schwab-Felisch (Hg.), "Gerhart Hauptmann: Die Weber. Dichtung und Wirklichkeit", Ullstein Taschenbuch

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Hans Pfitzner
Titel: Trio für Klavier, Violine und Violoncello in B-Dur
* Romanze, Andante - 2.Satz (00:06:33)
Klaviertrio
Ausführende: Robert Schumann Trio
Solist/Solistin: Jozef De Beenhouwer /Klavier
Solist/Solistin: Kees Hülsmann /Violine
Solist/Solistin: Marien van Staalen /Violoncello
Länge: 02:00 min
Label: CPO 9997362

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