Gedanken für den Tag

Von Renate Welsh. "Ich schenk dir was, was man nirgends kaufen kann". Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Nicht mit leeren Händen

Warum haben so viele Angst, die Fremden wollen uns etwas wegnehmen von unserem Wohlstand, unserer Identität, und können nicht sehen, dass sie etwas mitbringen, auf das zu verzichten wir uns nur zu unserem Schaden leisten können? Angst trübt den klaren Blick, in Wirklichkeit stünden wir sehr arm da, wenn wir alles abtun müssten, das nicht auf unserem eigenen Mist gewachsen ist.

Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit Veronika Krainz von lobby.16, einer NGO, die sich in ihrem Kernprojekt "Bildungswege" zum Ziel gesetzt hat, unbegleiteten jugendlichen Flüchtlingen in Zusammenarbeit mit Unternehmen eine Startchance zu geben. "Jeder von ihnen bringt ein Talent mit, es ist so schade, wenn es verschüttet bleibt", sagt sie. "Viele wissen gar nicht, was in ihnen steckt, weil sie nicht das Leben leben, das ihr eigenes ist, das müssen sie erst entdecken. Sie sind viel älter und viel jünger zugleich als unsere Jugendlichen, reifer, erwachsener, ernster, und gleichzeitig doch Kinder. Wie gesund sie trotz allem sind, was sie schon erleben mussten auf der Flucht... Lernen ist etwas völlig Neues für viele von ihnen, manche mussten ja schon als kleine Kinder zum Lebensunterhalt der Familie beitragen und konnten nie zur Schule gehen. Wir müssen ihre Neugier wecken, Angebote machen."

Wenn man Umweltbedingungen schafft, wo sie nicht zerquetscht werden von einander widersprechenden Ansprüchen sondern ihre Möglichkeiten entfalten dürfen, dann entdeckt man vieles, das staunen macht vor Freude. Belastet mit dem riesigen Rucksack der Hoffnungen und Erwartungen ihrer Familien und den Anforderungen unserer Kultur können diese jungen Menschen doch zu Brückenbauern zwischen unterschiedlichen Welten werden. Es wäre sehr unklug, auf den Beitrag zu verzichten, den sie in unserer Gesellschaft leisten können und wollen. Nicht der geringste davon ist das Geschenk, lachen zu können, wo es eigentlich gar nichts zu lachen gibt oder vielleicht sollte ich sagen: sehen zu können, dass es trotz allem etwas zu lachen gibt.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Marc Antoine Charpentier/1643 - 1704
Album: 10 Jahre "Les Arts Florissants" - William Christie
* Ritournelle (00:01:16)
Titel: In Nativitatem Domini - Ein Weihnachtsoratorium
Gesamttitel: Geistliche Musik
Ausführende: Les Arts Florissants
Leitung: William Christie
Länge: 02:00 min
Label: Harmonia mundi France / HMA 19

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