Zwischenruf

von Bischof Michael Bünker (Wien)

"Nicht ohne der Gemeinde Willen, Erwählen und Berufen" - Evangelische Kirchen und Synoden

Heute ist Bloomsday, benannt nach der Hauptfigur Leopold Bloom in James Joyce's Roman "Ulysses", in dem er auf beinahe 1000 Seiten einen einzigen Tag, eben einen 16. Juni in Dublin beschreibt. Vorwiegend aus der Sicht von Leopold Bloom, daher der Name für den Tag, der "Bloomsday". Zum Frühstück liebt Leopold Bloom ein in Butter gebratenes Nierndl, das er mit Butterbrot und Tee verzehrt. Besonders gut schmeckt ihm die Innerei, wenn sie noch ein wenig ihren typischen Geruch behalten hat. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Dann geht es durch den Tag mit vielen Begegnungen und Gesprächen und den inneren Monologen. Immer wieder wird auch die Prägung der irischen Gesellschaft der damaligen Zeit - der Roman spielt im Jahr 1904 - durch die römisch-katholische Kirche aufgegriffen.

Wenn heute jemand einen ähnlichen Roman schreiben wollte und dabei nach dem Einfluss nicht der katholischen, sondern der evangelischen Kirche auf die Gesellschaft fragen würde, würde ich empfehlen, auf die Synoden einzugehen. Sie sind in gewisser Weise Vorläufer moderner demokratischer Einrichtungen. In manchen Ländern, die keine demokratische Verfassung kennen, sind evangelische Synoden die Werkstätten und Versuchsstationen von Demokratie. Die evangelischen Kirchen in Österreich haben bis gestern Abend ihre jährliche Synode abgehalten. Da standen wichtige Personalentscheidungen auf der Tagesordnung, der Jahresabschluss der Kirche, Grundsatzfragen zum Jahr der Diakonie und im Vorblick auf das Reformationsjubiläum im Jahr 2017. Es wurde diskutiert, abgestimmt und gewählt.

Synoden gehören seit der Zeit der Reformation zu den evangelischen Kirchen. Mit den Synoden wird die Entscheidung der Gemeinden für die Gesamtkirche wirksam. Martin Luther hatte in einem Konflikt zu vermitteln, als es in einer kleinen Gemeinde um die Frage ging, wer denn den Pfarrer dort bestellt. Da ergriff er wenig überraschend für die Gemeinde Partei und stellt die Forderung auf: Nicht ohne der Gemeinde Willen, Erwählen und Berufen. Seitdem gehört die Wahl der Pfarrer und Pfarrerinnen zu den Kennzeichen der evangelischen Kirche. So verstehen Evangelische die Kirche: Als ein Zusammenwirken aller, das begründet ist im Priestertum aller Glaubenden. In den Synoden gibt es keine Hierarchie, keine Vorrechte für die sogenannten Geistlichen und keine Vorrechte für die, denen in der Kirche besondere Leitungsaufgaben anvertraut wurden. Auch der Bischof kann überstimmt werden und das geschieht auch immer wieder einmal. In den Synoden sitzen Pfarrer und Pfarrerinnen neben Angehörigen anderer Berufe, Männer neben Frauen (Frauen leider noch immer zu wenige). Jede Stimme zählt gleichviel. Leitung der Kirche geschieht damit letztlich ganz basisdemokratisch durch die Gemeinden selbst.

Begründet ist dieses synodale Prinzip wie alles in den evangelischen Kirchen durch die Bibel. Im Neuen Testament wird von ersten Synoden berichtet, von Zusammenkünften der Delegierten verschiedener Gemeinden, die über wichtige Fragen beraten und Entscheidungen treffen.

Synoden werden immer wieder als Kirchenparlamente bezeichnet. Daran ist vieles richtig. Das demokratische Entscheiden, die Beteiligung der Basis durch ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter und die geregelten Verfahren auf der Grundlage einer eigenen Verfassung sprechen dafür. Freilich gibt es auch einige Unterschiede: Normalerweise kennt eine Synode keine Parteien und die Synodalen sind allesamt nur ihrem eigenen Gewissen verpflichtet. Es gibt kein imperatives Mandat und keinen Klubzwang. Aus der Freiheit des Gewissens haben die Entscheidungen zum Wohl der Kirche zu fallen.

In meiner Phantasie male ich mir aus, wie Leopold Bloom aus dem "Ulysses" eine evangelische Synode empfunden hätte. Ich glaube, es hätte ihm gefallen. Er hätte die verschiedenen Typen charakterisieren können, wie sie unterschiedlich argumentieren und diskutieren, jeder und jede mit der eigenen persönlichen Note, er hätte vielleicht einiges merkwürdig gefunden und sich auch über manches lustig gemacht, aber letztlich hätte ihn die Diskussionslust wohl angesteckt. Nur würden wir es nicht schaffen, die Synode auf einen einzigen Tag zusammenzudrängen. Aber selbst das könnte ich mir vorstellen, solange er nur nicht erwarten würde, dass wir mit ihm seine Nierndln frühstücken!

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