Gedanken für den Tag

11. September 2013, 06:56

In den Sommerferien reiste meine Mutter mit uns Kindern, meiner Schwester Birgit und mir, regelmäßig nach Waldhausen im Strudengau. Wer meist fehlte, war unser Vater, denn er hielt seine Bach-Kurse in der Sommerakademie im holländischen Haarlem, war auf Amerikatournee, reiste quer durch Europa, nahm Platten auf und war als Juror und Orgelfachmann gefragt. Anton Heiller - der Kirchenmusiker aus dem Nachkriegs-Wien - war in den 60er Jahren zu einem international gefeierten Organisten geworden.

Auch seine Statur warf seit Ende der 50er Jahre einen mächtigen Schatten. Dass er das Leben genoss, sah man dem vormals hohlwangigen Mann nun deutlich an. Zu seinem Verhältnis zu Besitz allerdings passt ein Satz von Martin Buber: "Ich habe immer in der Gnade gelebt, keines Gegenstandes bedurft zu haben, bevor ich ihn besaß."

Anton Heiller besaß kein Sparbuch, hatte weder Führerschein noch Auto, er trug keine teuren Anzüge und Uhren. Was mein Vater brauchte, waren Noten und Notenpapier. Lebensnotwendig für ihn waren seine Zuhörer, für die er Musik auf höchstem Niveau schrieb und interpretierte - und die Studenten, denen er seine Passion weitergeben konnte. Er benötigte keine Gegenstände, sondern Menschen. Ihnen stand er über drei Jahrzehnte lang mit all seiner Energie zur Verfügung.

Trotz seines vollen Terminkalenders besuchte er uns, seine Familie, fast jedes Jahr zum 15. August in Waldhausen. Dieser Feiertag, Mariä Himmelfahrt, ist das Patrozinium der alten Stiftskirche. Er kam an, glücklich, doch sichtlich erschöpft. Dennoch spielte er an diesem Festtag die Messe und gab abends ein stets bejubeltes Konzert an der barocken Orgel. Ich war ein Kind, doch seine fulminanten Schlussimprovisationen packten mich bis zur Gänsehaut. - Heiller liebte diese Orgel. Sie wurde posthum nach ihm benannt.

Service

CD, Anton Heiller, "Te Deum", ORF 2001932

Buch, Peter Planyavsky, "Anton Heiller. Alle Register eines Lebens", edition va bene

Mehr über und von Anton Heiller im Doblinger-Musikverlag

Anton Heiller 90


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