Da capo: Im Gespräch

"Das Geschäft des Romanschreibens gehört zu den härtesten aller Arbeiten." Michael Kerbler spricht mit dem Schriftsteller Daniel Kehlmann

Es ist der erste Satz, der - einem Nagel ähnlich - so stark sein muss, dass er die gesamte nachfolgende Geschichte trägt. Der erste Satz aus Daniel Kehlmanns neuem Roman "F" etwa lautet folgendermaßen: "Jahre später, sie waren längst erwachsen und ein jeder verstrickt in sein eigenes Unglück, wusste keiner von Arthur Friedlands Söhnen mehr, wessen Idee es eigentlich gewesen war, an jenem Nachmittag zum Hypnotiseur zu gehen."
Mit diesem Satz fängt er also an, jener Roman, der von drei Brüdern handelt, die auf ihre jeweils eigene Art Heuchler, Betrüger, Fälscher sind. Sie glauben es sich eingerichtet zu haben in ihrem Leben, doch plötzlich klafft da ein Abgrund auf. Ein Augenblick der Unaufmerksamkeit, ein winziger Zufall, ein falscher Schritt, und was gespenstischer Albtraum schien, wird wahr.

Es ist der Sommer vor der Wirtschaftskrise. Martin, katholischer Priester ohne Glauben, übergewichtig, weil immer hungrig, trifft sich mit seinem Halbbruder Eric zum Essen. Der hochverschuldete, mit einem Bein im Gefängnis stehende Finanzberater hat unheimliche Visionen, teilt davon jedoch keinem etwas mit. Schattenhafte Männer, sogar zwei Kinder warnen ihn vor etwas, nur: diese Warnungen gelten gar nicht ihm. Gemeint ist sein Zwillingsbruder Iwan, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht, und schon nimmt das Unheil seinen Lauf.

Daniel Kehlmanns Romantitel "F" steht offenbar für Fälschung, Familie und Fiktion. Aber nicht nur. Denn Kehlmanns Raum-Zeit-Faltungen, die der Geschichte Struktur geben, sind auch mit einigen Falltüren ausgestattet, die zurück führen zu anderen literarischen Werken, auf die der Schriftsteller in "F" Bezug nimmt.
Daniel Kehlmann, 1975 in München geboren, ist Mitglied der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur sowie der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Er lebt in Berlin und Wien. Sein Werk wurde unter anderem mit dem Kleist-Preis und dem Thomas-Mann-Preis ausgezeichnet.

Der neue Roman von Daniel Kehlmann, aber auch das Wie seines Entstehungsprozesses und die Rolle der Literatur heute standen im Mittelpunkt des Gesprächs, das ich am vergangenen Sonntag mit dem Autor im THEATER IN DER JOSEFSTADT in Wien führen konnte.

Service

Daniel Kehlmann, "F", Rowohlt-Verlag

Daniel Kehlmann, "Ruhm" - ein Roman in neun Geschichten, Rowohlt-Verlag

Daniel Kehlmann, "Die Vermessung der Welt", Rowohlt-Verlag

Daniel Kehlmann, "Wo ist Carlos Montúfar?", Taschenbuch, rororo

Ludwig Tieck, "Die Gemälde", Novelle, Band, Europäischer Literatur Verlag, Bremen

Gerhard Kaiser, "Wozu noch Literatur? - über Dichtung und Leben", Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg

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