Da capo: Im Gespräch

"Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn ihr der Zorn dienstbar zur Hand geht." (Papst Gregor der Große, 540 bis 604 n.Chr.). Michael Kerbler spricht mit dem Schriftsteller Ilija Trojanow

Der Schriftsteller Ilija Trojanow schreibt seit seinem ersten Roman gegen die "Kollateralschäden des Fortschritts" an. Und er warnt davor, dass sich "die Massenmorde des vorigen Jahrhunderts wiederholen werden, wenn es uns nicht gelingt, durch eine Rückbesinnung auf die Ideale der Gerechtigkeit und der Würde des Einzelnen jeglicher Überflüssigmachung des Menschen einen Riegel vorzuschieben." Wer so schreibt, befindet sich im Widerstand - ohne allerdings die Hoffnung aufgegeben zu haben, dass sich der Gesellschaft noch ein Weg aus der selbstgewählten Unmündigkeit auftut. Obwohl: in seinem Roman "EisTau" verzweifelt der Gletscherforscher an sich, an der Umwelt und an den Menschen.

Doch es braucht Utopien, um die Hoffnungslosigkeit zu bekämpfen - sonst endet man tatsächlich in der finalen Niederlage. Auf diese Utopien setzt - trotzig fast - Ilija Trojanow. Der Schriftsteller, dessen erster Roman den Titel trägt "Die Welt ist groß und Rettung lauert überall", hofft nach wie vor, dass die Rettung aus uns selber kommt. Die Rettungsmöglichkeiten werden aber immer unsichtbarer. Deshalb hat es sich Trojanow offenbar zur Aufgabe gemacht, den Leserinnen und Lesern die Augen zu öffnen, durch sein Schreiben die Alternativen zu unserem zerstörerischen globalen System wieder besser sichtbar zu machen. In seinem jüngsten Essay "Der überflüssige Mensch" analysiert er eindringlich die Verheerungen des Klimawandels, die Erbarmungslosigkeit neoliberaler Arbeitsmarktpolitik und die in den Massenmedien zelebrierten Apokalypsen, die jene, die sich als Gewinner betrachten, mit Begeisterung verfolgen.

Ilija Trojanow scheint es mit Papst Gregor den Großen zu halten, der im sechsten Jahrhundert formulierte: "Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn ihr der Zorn dienstbar zur Hand geht." Der Frage über Widerstand und Legitimität weicht Trojanow dabei nicht aus. "Wir sperren Menschen wegen Diebstahl oder Sachbeschädigung ein, nicht aber dafür, dass sie den Golf von Mexiko verschmutzt oder Milliarden an Volksvermögen vernichtet haben - wegen Profitgier. Auch das ist Gewalt. Wenn man die Würde des Menschen wirklich achtet, dann muss man die Gewaltfrage ehrlich und schonungslos debattieren, gerade um die Gewalt auf Erden zu verringern."

Michael Kerbler hat Ilija Trojanow am 18. Oktober im Rahmen der "Goldegger Herbstgespräche" im Salzburger Schloss Goldegg getroffen, um mit ihm über Unrecht, gerechten Zorn und Formen des Widerstands zu debattieren.

Service

Ilija Trojanow, "Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren", Residenz Verlag

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