Zwischenruf

von Pfarrer Marco Uschmann (Wien)

35 Mal sind sich die Kontrahenten, so muss man sie wohl nennen, gegenübergesessen. Bis zum Schluss haben sie sich nicht einigen können. Nun wurde das neue Lehrerdienstrecht von der Regierung beschlossen. Ohne Zustimmung der Lehrervertreter, also der Gewerkschaft.

Bildung ist wichtig, die Bildung und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen auch. Daher wohl auch der erbitterte Streit aller Beteiligten. Begonnen hat das alles übrigens schon 2001, als das erste Mal ein neuer Entwurf zum Lehrerdienstrecht vorgelegt wurde. Wie wichtig Bildung ist, das haben auch die Kirchen recht früh erkannt.

Im niederösterreichischen Loosdorf gab es schon 1574 eine erste protestantische Schulordnung. Das war bereits 50 Jahre nach der Reformation. Diese Schulordnung war integrativ angelegt: Nicht nur Schüler und Schülerinnen aus dem Adel sondern auch Bauernkinder etwa waren in einer Klasse. Auch wurden Mädchen und Buben gemeinsam unterrichtet. Neben dieser im hohen Maße integrativen Ausrichtung stand auch die individuelle Förderung im Mittelpunkt, denn das Individuum und die Persönlichkeit waren und sind für den Protestantismus immer schon ein hohes Gut.

Dann gab es in der Loosdorfer Schulordnung so etwas wie Lehr- und Lernziele: Die erste Gruppe der Kinder soll lesen lernen. Die andere Gruppe, die schon lesen kann, soll die Grammatik lernen und so weiter. All das, damit die Schülerinnen und Schüler mündige Bürger werden, selbständig und verantwortlich der Welt gegenübertreten können und sie verantwortlich mitgestalten. Indem sie sich selbständig Urteile bilden, die sie aus dem Lesen der Bibel etwa gewinnen sollten. Natürlich kann man die Loosdorfer Schulordnung nicht eins zu eins in die Gegenwart übertragen. Aber so manches von dem Gesagten könnte sich gut machen als Grundlage für die aktuelle Diskussion.

Ich gebe zu, mich in den Feinheiten des neuen Lehrerdienstrechts nicht differenziert auszukennen - Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung, Verflachung der Gehaltskurve und die geplante Einführung mit dem Schuljahr 2019/2020. Das sind die Eckdaten, und die hören sich für meine Ohren nicht wirklich dramatisch an. Zumal alle, die jetzt mit dem Lehreramtsstudium beginnen, wissen, was auf sie zukommt. Aber ich will mich nicht in Details verlieren.

Worum es mir heute geht, ist das endgültige Scheitern der Verhandlungen. Das kann ich nun tatsächlich nicht nachvollziehen. Immerhin haben die ersten Vorschläge und Verhandlungen zum neuen Dienstrecht für LehrerInnen bereits 2001 begonnen. 2001 - das ist knapp 13 Jahre her. Seitdem haben alle Beteiligten das Problem immer wieder verschoben. Die aktuelle Misere liegt nun bereits auch seit dem Sommer dieses Jahres auf den Verhandlungstischen. Die einen sagen, es habe seitens der Lehrer über 1700 Eingaben gegeben, die nicht gehört wurden, die anderen behaupten, dass nur sie selber sich bewegt haben.

Das alles ist für die Menschen, die aus den Medien über die Verhandlungen erfahren, relativ egal. Sie sehen das Ergebnis, und das ist traurig. Da sitzen hochbezahlte Profis gemeinsam an einem Tisch und merken doch irgendwann, dass sie nicht weiterkommen. Ich verstehe nicht, dass hier nicht gemeinsame Lösungen gefunden werden.

In dem Hin und Her übrigens habe ich eigentlich kaum Stimmen gehört, die das Wohl der Schülerinnen und Schüler bedacht haben. Vielleicht könnte es ja helfen, die Schulen und das Lehrerdienstrecht im Interesse der Schülerinnen und Schüler weiterzuentwickeln. Geht es bei der Schulbildung doch auch, neben der Wissensvermittlung etwa um Selbständigkeit. Wie wäre es mit dem Gedanken, dass die Schülerinnen und Schüler zu Gemeinschaftsfähigkeit, zu kritischer Urteilsbildung und zu einem selbständigen Verhältnis zur Welt gebracht werden? Es geht also um ein Bildungsverständnis, das mehrdimensional ist. Ethisch-politische Verantwortung gehört auf jeden Fall dazu. In Zeiten, in denen mehr und mehr Menschen auf Bildschirme starren, sei es zu Hause, sei es in der U-Bahn oder auf der Straße, könnte auch eine Art Medienethik mit einfließen in die Gedanken der Verhandler.

Im Mittelpunkt sollte vielleicht einfach die Frage nach der Bildungsverantwortung für die Schülerinnen und Schüler stehen. So ganz neu ist das ja nun nicht: Das haben auch schon die Reformatoren im 16. Jahrhundert gewusst: Die Reformatoren Luther und Melanchthon haben schon 1530 angefangen, sich über Bildung Gedanken zu machen - da steckte die Reformation noch in den Kinderschuhen. Die Loosdorfer Schulordnung hat 40 Jahre danach diese Ergebnisse in Österreich eingebracht. Vielleicht hilft manchmal der Blick auf gelungene Modelle.

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