Dimensionen - die Welt der Wissenschaft
Wenn Sammeln zur Sucht wird. Ursachen und Folgen des "Messie-Syndroms"
Gestaltung: Marlene Nowotny
18. März 2014, 19:05
Einige Menschen weigern sich, Dinge permanent nach ihrem Nutzen zu beurteilen. Sie sammeln alte Zeitungen, leere Milchkartons oder löchrige Einkaufssackerl, Sachen, die nach gesellschaftlicher Konvention wertlos sind. Abfälle werden für sie zu Wertgegenständen. Diese Menschen werden als zwanghafte Sammler/innen bezeichnet. Sie leiden an einer Organisations-Defizit-Störung bzw. dem sogenannten Messie-Syndrom.
Die Enge, die durch das Anhäufen von Dingen in den Wohnungen der Betroffen entsteht, kommt einer Selbstbestrafung gleich. Viele horten Papier, Verpackungsmaterial, oder haben riesige Sammlungen von Schachteln. Sie haben ein Problem mit Trennung und es fällt ihnen schwer, sich den für sie selbst notwendigen Raum zu nehmen. Viele zwanghafte Sammler/innen haben nur lose soziale Beziehungen. Wirkliche Vertrautheit zu anderen Menschen über einen längeren Zeitraum aufzubauen, ist für sie fast unmöglich. Die gesammelten Gegenstände sind für sie auch Eckpfeiler der Erinnerung. Wie viele Menschen genau vom Messie-Syndrom betroffen sind, ist unbekannt. Die meisten nehmen keine Therapie in Anspruch. Die "Dimensionen" gehen der Frage nach, ob das zwanghafte Sammeln auch eine Antwort auf das konsumorientierte Leben der Gegenwart ist, das nicht den laufenden Neuerwerb von immer mehr Produkten zum Ideal erhebt, sondern auch das permanente Aussortieren in Wertvolles und Wertloses notwendig macht.
Service
Nikolai Gogol: Die toten Seelen, Reclam Verlag 2009
Alfred Pritz: Das Messie-Syndrom. Phänomen, Diagnostik, Therapie und Kulturgeschichte des Pathologischen Sammelns, Springer Verlag 2009
Therapeutische Betreuung von "Messies" an der Sigmund Freud Universität in Wien