Gedanken für den Tag

von Brigitte Schwens-Harrant, Theologin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche". "Freiheit, die sich erfindet und mich erfindet Tag für Tag" - Zum 100. Geburtstag von Octavio Paz. Gestaltung: Alexandra Mantler

Der Dichter Octavio Paz hielt sich als Botschafter Mexikos in Indien auf, als am 2. Oktober 1968 Studenten in Mexiko-Stadt eine Versammlung abhielten, um die Revolutionspartei, die seit vierzig Jahren an der Macht war, zu einer Reform zu bringen. "Als die Menge sich auflöste", schrieb Octavio Paz später, "wurde der Platz plötzlich von Militär umstellt und - das Blutbad begann! Wie viele mussten sterben? Keine mexikanische Zeitung wagte, die Zahl der Toten zu veröffentlichen."

Die Haltung der Regierung, schrieb Paz, "bleibt um so unverständlicher, als die Studentenbewegung keine unmittelbare Bedrohung des Regimes bedeutete. Die Weltpresse - soweit überhaupt informiert! - schrie den Skandal in alle Winde. Man sprach von der Sklerose des Regimes - und Sklerose bedeutet Altersschwäche und Unbeweglichkeit. Der Akt ist ein Beweis, dass dieses Regime keiner Gewissenserforschung mehr fähig ist. Die geistige und moralische Schwäche trieb es zur Violencia", zur Gewalt.

Octavio Paz konnte die Augen vor den innenpolitischen Vorgängen nun nicht mehr verschließen: Aus Protest legte er sein Botschafteramt zurück.

Zeitlebens sprach sich der Literaturnobelpreisträger des Jahres 1990 gegen Gewalt aus. 1984 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und in seiner Dankesrede wies er auf die Bedeutung des Dialogs hin, der zwar Unterschiede nicht aufhebt, aber eine Zone schafft, in der Andersartiges nebeneinander besteht und sich verwebt. "Der Dialog schließt das Ultimatum aus". Zeitlebens mahnte Paz, das Wort als Brücke einzusetzen zwischen Menschen, und plädierte für die Freiheit des Wortes: "Jede Revolution, die keine Kritik, also keine Redefreiheit, zulässt, die keine Möglichkeit gibt, einen Machthaber friedlich durch einen andern zu ersetzen", so Paz, "ist eine Revolution, die sich selbst verneint - ein Betrug!"

Service

Buch, Octavio Paz, "Gedichte", Verlag Suhrkamp
Buch, Christian Morgenstern, "Gedichte in einem Band", Insel Verlag

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Manuel Maria Ponce/1882 - 1948
Album: BALADA MEXICANA: KLAVIERMUSIK VON MANUEL PONCE
Titel: Tema mexicana variado - für Klavier
Solist/Solistin: Jorge Federico Osorio /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: ASV CD DCA 874

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