Gedanken für den Tag

von Johanna Schwanberg, Kunstwissenschafterin und Direktorin des Wiener Dommuseums. "Visionär mittels Pinsel und Farbe" - Zum 400. Todestag von El Greco. Gestaltung: Alexandra Mantler

Der heilige Franziskus von Assisi ist spätestens seit der Wahl des neuen Papstes im März des Vorjahres wieder in aller Munde. Durch seinen Namenspatron hat der argentinische Papst ein deutliches Bekenntnis zur Einfachheit, zur Reduktion abgelegt. Genauso hat auch El Greco Franziskus gesehen. Über hundert Franziskus-Gemälde sind aus der Werkstatt des spanischen Malers aus dem 17. Jahrhundert bekannt. Etwa zwanzig davon dürfte er selbst gefertigt haben.

Ein frühes Bild aus dieser Werkgruppe interessiert mich besonders. Der Maler hat es in den Anfangsjahren seiner Spanienzeit, zwischen 1587 und 1596 gemalt. Franziskus ist auf diesem Ölgemälde aus dem Museo Lázaro Galdiano in Madrid als Halbfigur dargestellt. Er steht vor einem Felsen, auf dem ein Totenkopf als Symbol der Vergänglichkeit ruht. Die Hände hat der Heilige vor seiner Brust verschränkt, sein Blick ist nach oben in Richtung eines Lichtstrahles gerichtet. Auf dem einen Handrücken ist ein Stigma - also ein Wundmal Christi - zu erkennen. Auffällig sind die tränenfeuchten Augen, die später von italienischen Barockmalern zur Darstellung von Heiligen übernommen wurden.

Ansonsten lebt das Bild durch die Schlichtheit. Die Farbigkeit ist komplett zurückgenommen und besteht nur aus Ocker- und Brauntönen. El Greco vermeidet hier überflüssiges Dekor. Aspekte der Armut und Einfachheit, die mit Franziskus von Assisi verbunden werden, hat El Greco gekonnt auf die Bildkomposition übertragen.

Ich werde oft gefragt, wann ein Kunstwerk überzeugend ist und wann nicht. Dieser Franziskus überzeugt seit über 400 Jahren. Weil hier Form und Inhalt zu einer untrennbaren Einheit verbunden sind. Und weil El Greco über das Motiv des vor einem Totenkopf betenden Mönches Möglichkeiten eröffnet, sich mit einem Aspekt des Lebens zu befassen, der niemanden kalt lässt: die eigene Endlichkeit.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: anonym
Album: Tanzmusik der Renaissance
Titel: Basse danse La Brosse - Tripla - Tourdion
Ausführende: Ulsamer Collegium
Leitung: Josef Ulsamer
Länge: 02:00 min
Label: DG 4152942

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