Leporello

"Sportphilosoph" Gunter Gebauer über die Welt aus dem Blickwinkel des Fußballs

"Was einen Philosophen am Fußball interessieren kann, ist die Tatsache, dass der Fußball den Menschen vom Kopf auf die Füße stellt."

"Sportphilosoph" wird Gunter Gebauer, Professor an der Freien Universität Berlin, derzeit in zahlreichen Medien genannt. Und dies nicht nur, weil er im Sog der eben gestarteten Fußball-WM gerade Höchstleistungen als Vortragsreisender vor unterschiedlichstem Publikum und mit den vielfältigsten Assoziationen zum Thema Fußball vollbringt. Leporello traf den Philosophen und Sportwissenschaftler am Flughafen Wien Schwechat; nur Stunden zuvor hat er vor der katholischen Hochschülerschaft in Graz über "Fußball als Religion" gesprochen; wenig später soll er in einer mehrstündigen TV-Talk-Sendung in Deutschland auftreten; zudem publiziert Gunter Gebauer Essays zum Thema "Fußball und Politik" - und selbstverständlich hält er sich auch oft im WM-Gastgeberland Brasilien auf.

Was Gunter Gebauer am Ballsport interessiert, ist der Umstand, dass die Welt auf dem Fußballfeld eine archaische ist. Der Mensch am Ball steht als Studienobjekt vor dem Auge des Forschers gewissermaßen vollkommen blank da, ein Wesen bar jeglichen evolutionären und kulturellen Ballasts. Fußball stellt den Menschen vom Kopf auf die Füße:

"Das ist ein indirektes Marxzitat, das aber hier anders zu verwenden ist. Es ist anthropologisch hochinteressant, weil der Fußball ausgerechnet das Instrument, den Körperteil des Menschen, verbietet, der Kultur geschaffen hat, nämlich die Hand. Es gibt kein anderes Spiel, das den Gebrauch der Hand untersagt, das bedeutet, dass die ganzen kulturellen Leistungen, die von der Hand hervorgebracht worden sind, nicht zum Einsatz kommen, zum Beispiel die Sprache, das Gestalten mit der Hand etc. - und natürlich auch die Digitalisierung. Die Digitalisierung kommt vom Zählen, letzten Endes vom Abzählen mit den Fingern, diese symbolische Fähigkeit, die Menschen im Laufe der Evolution errungen haben, nämlich die Welt abzubilden in symbolischen Artefakten, was unsere ganze Gegenwart prägt wie nie zuvor, das alles ist im Fuball ausgeschlossen. Fußball ist das letzte Reservat eines Menschen, der nicht die Finger gebraucht, der nicht digital denken kann."

Auf der Grundlage des "archaischen" Moments des Fußballs hat Gunter Gebauer ein Modell entwickelt , mit dem die Welt neu gedacht werden könnte - Gestaltung: Christa Eder

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