Zwischenruf

von Pfarrer Marco Uschmann (Wien)

Da gibt es Menschen, die Religion und Fußball gleichsetzen. Bei beiden gibt es die Gesänge, die Stadien werden Fußballtempel genannt - Rapid läuft in Wien in St. Hannapi auf. Selbst die Hand Gottes, Diego Maradona 1986 beim Sieg Argentiniens über England, hat schon mitgespielt. Und zweifelsohne werden die Stars auf dem Rasen auch vergöttert. Ja, Fußball und Religion haben durchaus miteinander zu tun - und solange man beides nicht verwechselt, ist auch alles in Ordnung.

Die Gemeinsamkeiten gehen übrigens noch weiter: Eigentlich heißt es ja, dass Sport allgemein einem Fair Play unterliegt. Auf dem Grün also soll Ehrlichkeit herrschen und Fehler und Fehlentscheidungen der Schiedsrichter etwa korrigiert werden. So hat Aaron Hunt von Werder Bremen mitten im Abstiegskampf beim 2:0 Erfolg der Hanseaten vergangenen März beim direkten Konkurrenten 1. FC Nürnberg nach kurzem Innehalten den falschen Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Manuel Gräfe korrigiert. "So wollen wir kein Spiel gewinnen, auch wenn es ein wichtiges Spiel ist".

Was war geschehen? Hunt hatte in der 75. Minute beim Lauf in den Strafraum ganz bewusst den Kontakt mit Gegenspieler Javier Pinola gesucht, doch der Argentinier war nicht verantwortlich für den Sturz des dreimaligen Nationalspielers. "Ich wollte den Elfmeter haben, aber es war nicht die richtige Entscheidung von mir", erzählte Hunt. Gräfes Pfiff hätte den Bremer die Chance zum 3:0 ermöglicht, so blieb es beim 2:0. Ob Hunt auch beim Stand von 0:0 so ehrlich gewesen wäre? "Diese Frage stellt sich nicht", entgegnete Werder Trainer Robin Dutt und antwortete lieber: "Ich bin froh, dass Aaron das gemacht hat."
Sicherlich eine außergewöhnliche Reaktion, die nicht alle Tage vorkommt. Schon weil es um viel zu viel Geld geht. Auch bei der Weltmeisterschaft hat es schon etliche Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern gegeben, die zweifellos spielentscheidend waren, wenn etwa Tore im Eröffnungsspiel Brasilien gegen Kroatien fälschlicherweise gegeben wurden. Beim Fußball kristallisiert sich das Leben in 90 Minuten und auf die Länge und Breite des Spielfeldes: Tragik und Glück liegen nur Minuten oder Spielzüge auseinander. Fairness hat da oft keinen Platz.

"Woran du nun dein Herz hängst und worauf du dich verlässt, das ist eigentlich dein Gott", hat der Reformator Martin Luther einmal gesagt. Fußballer haben sicherlich Vorbildfunktion - wenn wir nun ein Spiel betrachten und sehen, mit welchen Tricks da gearbeitet wird, da kann es mit den Vorbildern nicht weit her sein.

Bemerkenswert die Reaktion eines Trainers, der sich nicht etwa über die Schwalbe eines Gegenspielers aufgeregt hat - "Das ist normal, das gehört zum Fußball dazu", sondern fuchsteufelswild wurde, weil der Schiedsrichter der Täuschung aufgesessen war und einen Freistoß gegeben und damit ein Tor ermöglicht hat.

Es kann schon sein, dass Fairness bestraft wird, auf dem Fußballplatz oder im Leben. Ich denke aber, auf Dauer kommt man damit weiter, denn Aaron Hunt hat schon recht, ein solcher Sieg, entstanden aus Betrug, kann bitter schmecken. Und es ist allemal besser, sein Herz an Fairness und Gerechtigkeit zu hängen - das wusste schon Luther, lange bevor Fußball gespielt wurde.

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