Praxis - Religion und Gesellschaft

Äthiopien: Im Aufbruch mit Handy und Saatgut. Gestaltung: Alexandra Mantler

Ein kleiner Bauernhof in der Region Ginde Beret, rund 170 Kilometer westlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba.

Der Bauer Gemeda Avarsa zeigt stolz sein Zwiebelfeld, seine Süßkartoffeln und seinen Obstgarten, in dem gerade die Mangos und Papayas reif werden.

Gemeda Avarsa arbeitet als sogenannter Model-Farmer mit der Hilfsorganisation "Menschen für Menschen" zusammen. Das heißt, er hat eine Schulung für verbesserte Anbaumethoden absolviert, gratis Saatgut und Pflanzensetzlinge bekommen, ebenso Hilfe bei der Bewässerung seiner Felder und hilft nun seinerseits bei der Einschulung anderer Bauern.

Sein erstes zusätzlich verdientes Geld hat Gemeda Avarsa dafür verwendet, um seinen beiden ältesten Töchtern, der 16-jährigen Chaltu und der 18-jährigen Ebise den Besuch einer höheren Schule in der Bezirkshauptstadt Kachisi zu ermöglichen. "Meine Töchter sollen lernen können, so lange ich lebe. Denn jetzt kann ich sie unterstützen", sagt er.

Unter der Woche wohnen die beiden Mädchen in Kachisi. Der mehrstündige Fußmarsch nach Hause wäre zu weit, um ihn täglich zurückzulegen. "Aber nun kann ich meine Töchter auch unter der Woche anrufen", erklärt der Bauer. Denn vor kurzem hat die moderne Technik Einzug gehalten in Gemeda Avarsas Hof, der weitab vom staatlichen Stromnetz liegt. Der Bauer hat für sich und die Mädchen Handys gekauft und dank einer kleinen Solaranlage kann er nun auch mittels Solarenergie sein Handy aufladen.

Das Handy bietet noch weitere Vorteile für Gemeda Avarsa: "Ich kann auch die lokalen Marktpreise erfragen und danach entscheiden, wann ich meine Waren zum Markt bringe. Und ich kann mit den Zwischenhändlern besser verhandeln, wenn ich die aktuellen Preise in der Hauptstadt kenne."

Dank der Solaranlage erhellen nun auch zwei kleine Lampen abends den Wohnraum und die Küche der Familie. Früher waren sie auf Kerosin-Lampen angewiesen, doch das Kerosin war teuer und innerhalb von wenigen Jahren wird sich die Investition in die Solaranlage für Gemeda Avarsa amortisiert haben: 600 äthiopische Birr pro Jahr musste der Bauer bisher für Kerosin ausgeben. Eine Solaranlage kostet je nach Stärke und Anzahl der Lampen zwischen 1700 und 3000 äthiopische Birr, also rund 60 bis 110 Euro.

80 Prozent der äthiopischen Bevölkerung haben keinen Zugang zum elektrischen Stromnetz. Die Nutzung erneuerbarer Energien ist für Äthiopien wie für ganz Afrika etwas sehr Neues.

Die Vorzeigefrau schlechthin der wirtschaftlichen Entwicklung in Äthiopien, Bethlehem Tilahun Alemu, ist auch im Bereich der Nutzung von erneuerbaren Energien wieder einmal Trendsetterin: Sie plant für ihre Schuhproduktion der Marke "soleRebels" gerade die Errichtung einer neuen Fabrikanlage, die mit Solarenergie betrieben wird.

Die heute 33-jährige Unternehmerin hat einst ganz klein angefangen: In der Gemeinde Zenabwork am westlichen Stadtrand von Addis Abeba merkte die junge Frau bald, dass es hier so gar keine Möglichkeiten gab, sich ein besseres Leben aufzubauen: ohne Wirtschaftsbetriebe, ohne Arbeitsplätze. Also entschloss sich Bethlehem Tilahun Alemu zusammen mit ihrem Ehemann und ihrem Bruder, durch die traditionelle Herstellung von hochwertigen Schuhen neue Jobs zu schaffen - für sich und ihre Nachbarschaft.

2005 eröffnete sie hier die Schuhmanufaktur "soleRebels", also "Sohlen-Rebellen". Als Geschäftsidee diente eine alte Tradition der Schuhherstellung: das Recycling. Die Schuhsohlen werden aus alten Autoreifen gefertigt, Kleinbauern aus dem Umland liefern die Bio-Baumwolle für den Stoff der Schuhe mit dem Fairtrade-Siegel.

Mittlerweile hat "soleRebels" auch 12 Geschäfte etwa in Taiwan, in Spanien und in Wien. Vor zwei Jahren hat das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" Bethlehem Tilahun Alemu auf seine Liste der "Frauen, auf die man achten sollte" und auf das Titelblatt gesetzt. Aus den ursprünglich fünf Arbeitern sind mittlerweile 75 Angestellte geworden. Wer für die Unternehmerin arbeitet, verdient gut: Sie zahlt im Durchschnitt rund das Vier- bis Fünffache des sonst in Äthiopien üblichen Gehalts, zudem sind ihre Angestellten krankenversichert - auch das ist in Äthiopien nicht die Regel.

Ein besonderes Anliegen ist Bethlehem Tilahun Alemu die Förderung von Frauen. "Es reicht nicht, immer nur theoretisch über die Probleme der Frauen zu reden, sondern man muss auch etwas dafür tun, um sie zu lösen", sagt sie. "Wir hatten in der Firma zum Beispiel das Problem, dass viele Frauen immer wieder einmal der Arbeit fern blieben, weil sie niemanden hatten, der auf ihre Kinder aufpasst. Also haben wir eben einen Betriebskindergarten aufgemacht." Damit möchte die Unternehmerin auch Modelle schaffen für andere Firmen: "Viele Menschen hier beklagen immer nur, dass nichts weitergeht - ich war lange Zeit eine von ihnen - aber dann bin ich hinaus gegangen und habe versucht, das Problem zu lösen."

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