Zwischenruf

von Oberkirchenrat Johannes Wittich (Wien)

Ebenbild des Menschen

Nach drei Wochen und 6000 Kilometern ist er endlich angekommen: hitchBot, der Roboter, der per Anhalter quer durch Kanada gereist ist. Ein Forscherteam hat ihn an der Ostküste des Landes ausgesetzt, ein kleiner Gnom aus Plastikkübel, Gummistiefeln und -handschuhen, Schaumstoffrollen und mit einem Tortendeckel auf dem Kopf. In hitchBot drinnen war allerdings ausgeklügelte Elektronik, wodurch er sich verständigen, sein Anliegen, per Autostopp mitgenommen zu werden vermitteln und sogar kleine Dialoge führen konnte. Drei Wochen später hat er nun sein Ziel, die kanadische Westküste, erreicht.

Ergebnis des wissenschaftlichen Experiments, so dessen Verantwortliche: Menschen sind bereit, einen am Straßenrand stehenden Roboter mit dem Auto mitzunehmen und seinen Wünschen nachzukommen, zumindest, so Frauke Zeller, die Leiterin des Projekts, solange sie "so klein wie ein Kind sind, Gummistiefel tragen und im Auto mit ihrem Wikipedia-Wissen angeben oder vorschlagen, gemeinsam ein Lied zu singen." Und weiter soll nun ausgewertet werden, welche Beziehungen zwischen hitchBot und seinen neugewonnenen menschlichen Freundinnen und Freunden während der Reise aufgebaut werden konnten - schließlich wurde er ja sogar zu einer Hochzeit und einem Pow Wow, einem traditionellen Treffen kanadischer Ureinwohner eingeladen.

Was sich jetzt schon sagen lässt ist, dass dem kleinen Roboter viel an Sympathie entgegengebracht wurde, persönlich, aber auch in den sozialen Medien. Man machte sich dort Sorgen um sein Wohlergehen, brachte Befürchtungen zum Ausdruck, dass ihm etwas zustoßen könnte, oder fand ihn nur putzig und wollte ihm, wenn möglich, einmal persönlich begegnen.

Das ganze Projekt finde ich amüsant und originell und ich bewundere den Humor und die verspielte Fantasie der Verantwortlichen, die es offensichtlich verstehen, Wissenschaft mit hohem Spaßpotential zu betreiben. Anderseits finde ich das Ergebnis auch ein wenig irritierend. Denn schließlich werden hier einem Produkt menschlicher Kreativität, einer Maschine, Sympathien entgegengebracht, an denen es im alltäglichen Zusammenleben an anderen Orten und in anderen Situationen gerne einmal fehlt. Manch ein ignorierter und an den Rand gedrängter Mensch in unserer Welt und in unserer Gesellschaft kann sich nur wundern über das Mitgefühl, das hitchBot so reichlich zu spüren bekommen hat. Und manch ein Mensch würde sich wünschen, genau so ernst- und wahrgenommen zu werden wie hitchBot - und muss feststellen, dass das, was hier für eine Maschine empfunden wird, einem Menschen verwehrt bleibt oder gar verweigert wird.

Hinter der wissenschaftlichen Spielerei verbirgt sich für mich also nachdenklich machender Ernst. Das wissen auch die verantwortlichen Forscherinnen und Forscher, die nun der Frage weiter nachgehen wollen, aus welchen Faktoren sich Kommunikation zwischen Mensch und Roboter zusammensetzt und, vor allem, wie eine solche Verbundenheit mit einem, letztlich nur: Gegenstand, entstehen kann.

Aus christlicher Sicht gehört ja zur gelingenden Kommunikation zwischen Mensch und Mensch die Einsicht, dass das Gegenüber ein Ebenbild Gottes ist. Das ist die Voraussetzung, dass Menschen einander überhaupt auf Augenhöhe begegnen können, nämlich indem dem Anderen oder der Anderen eine Qualität zuerkannt wird, die nicht aus dem entsteht, was er oder sie kann oder ist oder tut, sondern ganz einfach aus dem Mensch-Sein selbst.

Der kleine Roboter hitchBot ist kein Ebenbild Gottes, sondern, höchstens ein (reichlich unvollkommenes) Abbild des Menschen, eher schon ein Abklatsch dessen, was einen Menschen ausmacht. Die Sympathien, die ihm entgegengebracht wurden, sind vielleicht auch Ausdruck der Sehnsucht nach einfachen, klar umrissenen und eingeschränkten Formen von Beziehung. Nur: Menschen sind nun einmal keine Roboter. Und wenn hitchBot es geschafft hat, uns den Wert des Zwischenmenschlichen wieder in Erinnerung zu rufen, dann hat er etwas wirklich Intelligentes zustande gebracht.

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