Gedanken für den Tag

von Herbert Pietschmann, Physiker. "Die Schöpfung und ihre Mechanismen". Gestaltung: Alexandra Mantler

Der Physiker William Thomson, bekannt als Lord Kelvin, hat in der Mitte des 19. Jahrhunderts den Begriff "Energie" in der Physik eingeführt. Er beschrieb aber auch genau, was wir seither als "mechanistischen Denkrahmen" bezeichnen können; er sagte: "Ich bin erst dann zufrieden, wenn ich mir von einer Sache ein mechanisches Modell herstellen kann. Kann ich nicht in jeder Hinsicht ein mechanisches Modell herstellen, dann kann ich sie auch nicht verstehen."

Dieser mechanistische Denkrahmen des Abendlandes ist deshalb so erfolgreich, weil er nur vier Prinzipien fordert: Das erste Prinzip stammt von Galilei und fordert, alles zu messen. Das zweite Prinzip stammt von Descartes und fordert, alles in seine kleinsten Teile zu zerlegen, diese zu untersuchen und das Ganze wieder daraus zusammenzusetzen.

Das dritte Prinzip ist die Aristotelische Logik, die wir in dem Schlagwort "Immer Entweder-Oder" zusammenfassen können. Tatsächlich werden wir von Kollegen anderer Kulturen oft als die "Entweder-Oder-Denker" charakterisiert.

Das vierte Prinzip hat eine lange Geschichte, wir können seine endgültige Fassung Newton zuschreiben und mit ihm fordern, für alles Ursachen zu finden.

Dieser Denkrahmen dient uns zur Konstruktion unserer Wirklichkeit. Ein Beispiel: Wenn wir morgens beim Erwachen feststellen, dass unser Körper heiß ist, dann genügt diese unmittelbare Feststellung nicht, wir werden mittels eines Thermometers "messen". Und sollte das Thermometer etwa 36,8 Grad zeigen, dann werden wir uns denken: Ich dachte ich habe Fieber, aber in Wirklichkeit habe ich keines!

Nicht nur unser gesamtes Gesundheitswesen ist aufgebaut auf der Idee, Messwerte und ihren "Normbereich" festzulegen; trotz seiner Einschränkungen bestimmt der Denkrahmen unser ganzes Leben.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Ludwig van Beethoven/1770 - 1827
Titel: Sonate für Klavier Nr.4 in Es-Dur op.7
* Rondo; Poco Allegretto e grazioso - 4.Satz (00:07:56)
Klaviersonate
Solist/Solistin: Emil Gilels /Klavier
Länge: 02:20 min
Label: DG 4154812

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