Praxis - Spezial

"Katholisch ohne Papst" - 125 Jahre Utrechter Union der altkatholischen Kirchen. Gestaltung: Markus Veinfurter

Ein Unwetter soll Rom in eine mittägliche Finsternis gehüllt haben, als am 18. Juli 1870 die Unfehlbarkeit des Papstes in Fragen des Glaubens und der Sitten sowie seine bischöfliche Oberhoheit über die gesamte Kirche als verbindliche Glaubenswahrheiten verkündet werden. 80 Bischöfe - darunter auch die Kardinäle Rauscher aus Wien und Schwarzenberg aus Prag - hatten das Erste Vatikanische Konzil schon davor verlassen, um nicht gegen den Papst stimmen zu müssen. Die katholische Kirche steht wieder einmal vor der Spaltung: Aus dem Widerstand gegen die Papstdogmen entstehen die sogenannten "altkatholischen Kirchen" - "alt", wie sie es verstehen, im Sinne von "ursprünglich", ohne eine übermächtige Zentralgewalt, wie die ungeteilte Kirche des ersten Jahrtausends.

Alt - aber nicht veraltet: Seit nun 125 Jahren sind die altkatholischen Kirchen unter dem Vorsitz des Erzbischofs von Utrecht in der "Utrechter Union" verbunden. Nach dem Vorbild der "alten Kirche" haben sie schon im 19. Jahrhundert Reformen durchgeführt: Der Gottesdienst wird in der Landessprache gefeiert, die Geistlichen dürfen heiraten, die Kirche hat eine demokratische ("synodale") Struktur. Seit einigen Jahren sind jetzt auch Frauen zum Weiheamt zugelassen.

Die Opposition gegen die beiden Papstdogmen kommt nach 1870 vor allem aus den Universitäten, von den Professoren, die weder in der Bibel noch in der kirchlichen Tradition eine Begründung für die Papstdogmen erkennen können - und aus dem neuen, selbstbewussten Bürgertum. Zur Galionsfigur avanciert der renommierte Münchner Kirchenhistoriker Johann Joseph Ignaz von Döllinger. Für einen kurzen historischen Moment scheint sich tatsächlich eine Massenbewegung zu formieren.

Doch die oppositionellen Bischöfe unterwerfen sich rasch dem Papst. Von staatlicher Seite wird zwar protestiert: Die kaiserliche Regierung in Wien kündigt sogar das Konkordat, weil der Vertragspartner jetzt ein "anderer" geworden sei - Unterstützung für die "anti-infallibilistischen Katholiken" (wie man sie ursprünglich nennt) gibt es aber keine. Ausnahmen sind da nur einige Gemeinden: So übergibt die Stadt Wien 1871 der altkatholischen Gemeinde ihre Rathauskapelle "St. Salvator".

Organisatorisch betrachtet entstehen freilich neue Kirchen - zuerst in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich, später auch in Kroatien, Polen, in den USA und Kanada. Für die Weihe ihrer Bischöfe wenden sie sich an die Kirche von Utrecht in den Niederlanden, die sich bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts von Rom getrennt hatte. Am 24. September 1889 - vor 125 Jahren - wird dann die "Utrechter Union" der altkatholischen Kirchen gegründet.

Sendereihe

Gestaltung

  • Markus Veinfurter