Radiokolleg - Im Osten viel Neues

25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs
(3). Gestaltung: Tanja Malle

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Die mehr als 160 Kilometer lange Grenzbefestigung, die Berlin teilte und Ost- und Westdeutschland 28 Jahre voneinander trennte, gilt als das Symbol für die politische und militärische Spaltung Europas nach dem 2. Weltkrieg. Ihr Fall als Sinnbild für die Überwindung von Grenzen.
Die Öffnung der innerdeutschen Grenze bildete den wohl wichtigsten Meilenstein beim Fall des Eisernen Vorhangs und gilt heute als zeitgeschichtliches Ereignis von Weltrang. 25 Jahre nach der Öffnung der Grenzbefestigungen zwischen den marktwirtschaftlich orientierten Staaten des Westens und den planwirtschaftlich gelenkten kommunistischen Diktaturen des Ostens und 10 Jahre nach dem Beitritt von Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn zur EU, unternimmt das Radiokolleg eine Reise in die Geschichte und Gegenwart einiger ehemaliger Ostblockstaaten.
Eine bis dato nicht überwundene Trennlinie bilden die unterschiedlichen Deutungen des 20. Jahrhunderts, die damit verbundene Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. Während in vielen osteuropäischen Staaten das Leiden der Bevölkerung im Stalinismus und Kommunismus in den Vordergrund gestellt wird, ist es in Westeuropa die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten.
Eine beachtliche Ausnahme bildet ein Museum in Riga, der Hauptstadt Lettlands. Das "Museum of the Occupation of Latvia 1940 - 1991" analysiert Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus in Europa - ohne die drei totalitären Herrschaftsformen gleichzustellen oder die Opferzahlen gegeneinander auszuspielen. Ein einzigartiges europäisches Projekt.
Der Niedergang des Kommunismus und die Öffnung der innereuropäischen Grenzen hatte nicht nur gewaltige politische, sondern auch große gesellschaftliche und ökonomische Folgen: In den ehemaligen Arbeiter- und Bauern-Staaten entstanden neue soziale Klassen, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern wurde neu verhandelt, die binneneuropäische Arbeitsmigration kam ins Rollen. Heute pendeln in Kleinbussen aus Rumänien und Zügen aus Polen Pflegerinnen im Zwei-Wochen-Takt nach Österreich um Familieneinkommen oder Pension aufzubessern.
Die neuen EU-Länder haben dem alten Europa mitunter einiges voraus, sodass man sie teils als politische Laboratorien charakterisieren kann. Ein Beispiel sind zeitgemäße Formen der Verwaltung. betrifft. In der Slowakei werden etwa öffentliche Aufträge transparent vergeben. Jeder Handelsvertrag, den der Staat eingeht, wird im Netz veröffentlicht - was Korruption maßgeblich erschwert bzw. verhindert. Es scheint daher mitunter, als wüssten die jungen EU-Staaten, wohl auch aufgrund ihrer kommunistischen Geschichte, die Chancen, die eine demokratische Herrschaftsform bietet, weiser zu nützen, als ihre alten Nachbarn.

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