Zwischenruf

von Bischof Michael Bünker (Wien)

"Pegida und die Kirche"

Wer zum ersten Mal Dresden besucht, das vielgerühmte Florenz an der Elbe, wird über ein Gebäude erstaunt sein, das auf den ersten Blick untrüglich wie eine Moschee aussieht. Das ist die berühmte Yenidze, im orientalischen Stil 1908 erbaut mit Kuppel und spitzem Turm.
Dabei handelt es sich aber keineswegs um eine Moschee, sondern eine architektonisch originell gestaltete Zigarettenfabrik. Der Islam ist in Dresden nämlich unsichtbar. In ganz Sachsen gibt es zwischen 0,1 und 0,4 % Muslime, insgesamt kaum mehr als viertausend. Dennoch ist ausgerechnet Dresden in den letzten Wochen zum Aufmarschort von Islamfeindlichkeit und Ausländerhetze geworden.

Pegida - die harmlos klingende Abkürzung steht für "Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes". Eine neue Protestbewegung in Deutschland, die am vergangenen Montag fast fünfzehntausend Menschen in Dresden auf die Straße brachte. Es war schon der neunte Aufmarsch, von Mal zu Mal hat die Zahl der Teilnehmenden zugenommen. Bürger und Bürgerinnen, die ihre Existenzsorgen, ihre Politikverdrossenheit und ihre Zukunftsängste von Rechtsextremen und Hetzern gegen Zuwandernde und Muslime instrumentalisieren lassen.

Besonders provokant, dass die neue Bewegung bewusst an den Bürgerbewegungen vor 25 Jahren anknüpft. Damals waren es auch Montagsdemos, die zum friedlichen Fall der Mauer beigetragen haben. Daran knüpft Pegida bewusst an, auch mit der schamlosen Aneignung der Parole "Wir sind das Volk". Denn Pegida macht Stimmung gegen Flüchtlinge und verbreitet Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und das hat mit Menschenwürde, Freiheit und Demokratie - den Werten der friedlichen Revolution von 1989 - nichts, rein gar nichts, zu tun. Und morgen, am Montag, wollen sie wiederkommen und Weihnachtslieder singen. Ob sie überhaupt merken, dass es bei Jesu Geburt um ein Flüchtlingskind geht, das in einem Stall zur Welt kommt?

Die Politik findet erst nach einer Schrecksekunde zu Antworten. Aber klare Strategien, wie mit diesem neuen Phänomen umgegangen werden soll, fehlen weitgehend.

Deutlich anders als 1989 ist die Stellung der Kirchen. Während sie bei der friedlichen Revolution aktiv mitgeholfen haben und die größten Demonstrationen ihren Ausgang in den Kirchen genommen hatten, stehen sie heute auf der anderen Seite und unterstützen die Menschen, die gegen die Verhetzung eintreten. Denn die Menschen in Dresden wissen sich wohl zu wehren.

Vor wenigen Jahren haben sie einen Aufmarsch von Rechtsextremen durch eine Menschenkette "Dresden nazifrei" verhindert. Am letzten Montag gab es eine Gegendemonstration gegen den Pegidaaufmarsch unter dem Motto "Dresden für alle" mit beinahe genau so vielen Teilnehmenden. Ich wünsche mir, dass auch sie von Mal zu Mal mehr werden. Viele, die sich an diesen Demonstrationen für Toleranz und Menschlichkeit beteiligen, besuchen wie zum Auftakt und zur Einstimmung das ökumenische Friedensgebet in der Kreuzkirche, das jeden Montag um 17 Uhr angesetzt ist.

Das ausländer- und islamfeindliche "Abendland", das Pegida angeblich retten will, hat nichts zu tun mit dem Europa, für das sich die Kirchen einsetzen. Sie treten ein für ein Europa der Vielfalt auf der verlässlichen Grundlage der Menschenrechte, für ein friedliches Zusammenleben ohne Radikalismus auf jeder Seite, für gegenseitigen Respekt und Anerkennung verschiedener Kulturen und Religionen. Denn das ist die Stärke Europas. Alle Vereinheitlichungstendenzen führen früher oder später zu Ausgrenzungen. Evangelische haben das selbst erlebt und wissen den Wert der Freiheit hoch zu schätzen.

Hat sich nicht deshalb Gott ausgerechnet als jüdisches Flüchtlingskind unter uns Menschen bringen lassen, damit Menschlichkeit und Menschenrecht, Würde und Respekt Einzug halten in unsere Welt? Ich zumindest verstehe die Weihnachtsbotschaft genau so.

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